Nicht in jedem Fall müssen Reiseveranstalter Stornoentschädigung zurückzahlen, wenn Kunden wegen Corona-Beschränkungen ihre Reise storniert haben. Denn spätestens 2021 seien wechselhafte pandemiebedingte Maßnahmen vorhersehbar gewesen. Die kostenfreie Stornierung einer Reise zu Corona-Zeiten ist nicht immer rechtmäßig.

LG Koblenz, 3 O 140/22

Ein erstes Urteil, das sich der bisherigen herrschenden Meinung widersetzte, hatte bereits das Amtsgericht München im vergangenen Jahr gefällt: Ein kostenfreier Reiserücktritt wegen Corona ist nicht immer möglich. Kunden, die auf Rückerstattung des Geldes klagten, weil sie wegen staatlicher Corona-Reisewarnungen den Trip storniert hatten, verloren den Prozess.
Nun hat sich auch das höherinstanzliche Landgericht Koblenz dieser Auffassung angeschlossen. Zumindest in solchen Fällen nicht, in denen die Reisen bereits nach Ausbruch der Pandemie gebucht wurden. Das kommentiert Rechtsanwalt Professor Hans-Jochen Vogel von der Kanzlei Advant Beiten in einem Beitrag in der Fachzeitschrift FVW so:

„Das LG Koblenz führt zur Begründung aus, es komme für Buchungen nach Ausbruch der Corona-Pandemie auf den Einzelfall an. Wenn unter Berücksichtigung aller Umstände ein durchschnittlich informierter und verantwortungsbewusster Reisender davon ausgehen musste, dass bei der gebuchten Reise weiterhin mit Beeinträchtigungen zu rechnen sein muss, dann sei ein kostenfreier Rücktritt nicht möglich.

Es komme auch nicht darauf an, ob der Reisende die korrekten Maßnahmen der Behörden habe vorhersehen können oder nicht. Maßgeblich sei, ob die Auswirkungen der Pandemie auf die beabsichtigte Reise erst nach Vertragsschluss für den Reisenden erkennbar wurden oder ob diese schon im Zeitpunkt der Buchung ernsthaft in Betracht gezogen werden mussten. 

Im Klartext heißt dies: Wenn sich ein Urlauber bei der Buchung für eine Reise entscheidet, bei der pandemiebedingte Beeinträchtigungen als naheliegendes Risiko ernsthaft in Betracht gezogen werden müssen, dann kann er nicht mehr kostenfrei zurücktreten.

Dies zumindest ist für Buchungen vom Jahre 2021 an anzunehmen. Trotzdem lassen die Richter für bestroffene Kunden eine Hintertür offen: Gehen die Corona-Beschränkungen oder Ansteckungsrisiken nämlich über das Maß hinaus, mit dem die Parteien rechnen konnten, dann kann eine kostenfreie Stornierung doch angemessen sein.

Das Urteil hat aber zwei weitere Konsequenzen für Reiseveranstalter:
Erstens: Auch der Veranstalter kann die Reise nicht einfach mit Hinweis auf die Pandemie absagen – dies gilt nur dann, wenn er durch unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände an der Durchführung der Reise gehindert ist.
Zweitens: Der Reiseveranstalter haftet für die Qualität der Reise. Auch wenn er dem Kunden das kostenfreie Storno verwehren kann, so muss er doch bei relevanten pandemiebedingten Einschränkungen seiner vertraglichen Reiseleistungen mögliche Ansprüche auf Minderung des Reisepreises akzeptieren.

Festzuhalten bliebt also: Für Buchungen, die bereits unter dem Eindruck der Pandemie vorgenommen wurden, ist nicht einfach ein kostenloses Storno möglich, ’nur‘ weil es entsprechende staatliche Reisewarnungen gab oder weil die Inzidenzen im Winter 2021/2022 stiegen.“