Die IFTTA – The International Forum of Travel and Tourism Advocates richtete vom 28.11. bis 1.12.2022 ihre 33. Jahreskonferenz in der Universität von Malta in Valletta aus.
Die privatrechtliche Vereinigung mit Satzungssitz in den Niederlanden richtet sich an die im Reiserecht beratenden Anwälte und Anwältinnen, Justiziare und Praktiker aus Ländern weltweit sowie an Akademiker und Akademikerinnen. Langjähriger Vize-Präsident war der deutsche Verbraucherrechtler Klaus Tonner (Tamm, VuR 2022, 321).
Nach der Begrüßung der etwa 30 anwesenden Mitglieder aus Wissenschaft und Praxis durch die Präsidentin der IFTTA, Dr. Jacqueline Tanti Dougall (Malta) und den Vertreter der Handelskammer Malta, Herrn Dr. Marthese Portelli, übernahm es der Rechtsanwalt Jeff Ment aus New York, die Voraussetzungen des Verkaufs von Reisen in die USA exemplarisch anhand der Rechte der Einzelstaaten Kalifornien, Hawaii und Florida zu skizzieren. Dabei gilt, dass es kein US-amerikanisches Bundesrecht im Bereich der Pauschalreise gibt, sondern das Recht der Einzelstaaten den Verkauf von Reisen (sale of travel) regelt, indem eine Registrierung als Seller of Travel, die Einrichtung eines Kontos oder einer Sicherheit verlangt wird und auch bestimmte Informationspflichten (Disclosure Requirements) im Recht eines Einzelstaates vorgesehen werden können, die von ausländischen Reiseunternehmen zu beachten sind.
Im Anschluss untersuchte die Rechtsanwältin Carmit Baron (Tel Aviv) die Rolle des Gesetzgebers, der Regierung und der Gerichte bei der Durchsetzung des Prinzips der höheren Gewalt (Force Majeure) im israelischen Tourismussektor mit Blick auf die Corona-Pandemie und erläuterte, dass das israelische Recht den Begriff der Force Majeure eng definiert und im Wesentlichen auf Naturphänomene beschränkt, so dass etwa Kriegshandlungen als höhere Gewalt ausscheiden. Eine spezielle Gesetzgebung hinsichtlich der Pandemielage oder ein Urteil des Obersten Gerichtes oder der unteren Instanzen, das die Corona-Pandemie als Force Majeure einstufen würde, konnte die Referentin in Israel nicht verzeichnen. Vielmehr behalf sich die Vertragspraxis während der Pandemie nach ihrer Schilderung mit einvernehmlichen Lösungen nach Treu und Glauben, wozu sie einzelne Vertragsklauseln aus Hotelverträgen vorstellte.
Die Auswirkungen der Pandemie im kanadischen Recht untersuchte der kanadische Anwalt Doug Crozier (Toronto) im Überblick.
Ein weiteres Thema der Konferenz stellten Einzelfragen im Zusammenhang mit dem Anwendungsbereich der Pauschalreise-RLrichtlinie 2015/2305 dar. So beschäftigte sich Rechtsanwältin Marie Vandersanden(Bremen) mit der Frage, ob ein Sprachaufenthalt, der nur Unterkunft und Sprachkurs impliziert, zwingend als Pauschalreise iSd § 651 a BGB betrachtet werden muss.
David Misfud (Malta Tourism Authority) trug das Ergebnis seiner rechtsvergleichenden Analyse zum Thema der Insolvenzabsicherung in der EU vor und unterschied Systeme mit einem zentralen Fondsystem (Malta, Dänemark) von solchen mit einem dezentralisierten Garantiefondssystem (Estland, Litauen).
Die Frage der Möglichkeit der Betrugsprävention bei Onlinegeschäften von Reisenden erörterte Prof. Enrique Mota (Universität Cancun, Mexiko) und stellte dar, dass Mexiko ein Register der Generalstaatsanwaltschaft vorhält, bei dem über einen „Travel Agency Checker“ Verbraucher online prüfen können, ob ein Reisebüro existiert und im Register verzeichnet ist.
In Bezug auf digitale Plattformen im touristischen Sektor stellte Dr. Uta Stenzel (Berlin) die Haftung eines Bewertungsportals im Lichte des Urteils des v.om 9.8.2022 – VI ZR 1244/20 NJW 2022, 3072) dar, wonach die Rüge des Bewerteten, einer Bewertung liege kein Gästekontakt zugrunde, grds. ausreicht, eine Prüfpflicht des Bewertungsportals auszulösen.
Frau Prof. Antonia Paniza Fullana (Universität der Balearen, Palma de Mallorca) führte in die Grundbegriffe der neuen Verordnung VO (EU) 2022/2065, ABl. L 277, 1 (Gesetz über digitale Dienste,) ein, die für Vermittlungsdienste gilt und die Haftung dieser Anbieter regelt, wobei gem. Art. 4 VO (EU) 2022/2065 der Vermittlungsdienst für die reine Durchleitung nicht haftet und gem. Art. 8 VO (EU) 2022/2065 für ihn weiterhin keine allgemeine Pflicht, die übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder aktiv nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hindeuten, besteht.
Rechtsanwalt Dr. Michael Wukoschitz (Wien) stellte die Entscheidung des vom 2.6.2022 zu Art. 17 Abs. 1 MÜ (Montrealer Übereinkommen) zum Schadensersatz nach dem Sturz eines Passagiers auf der Flugzeugtreppe vor ( Rs. C-589-20, NJW-RR 2022, 986) und skizzierte die Gründe der bemerkenswerten Entscheidung, wonach auch ein Sturz, bei welchem der Fluggast aus unbestimmten Grund auf einer für den Ausstieg den Fluggäste bereitgestellten mobilen Treppe stürzt und verletzt wird, einen „Unfall“ iSv Art. 17 Abs. 1 MÜ darstellen kann, für den die Luftfahrtgesellschaft haftet, wobei unerheblich ist, ob das betreffende Luftfahrtunternehmen hierbei gegen eine Verkehrssicherungspflicht verstoßen hat (s. Wukoschitz, TranspR 2022, 477).
Die Vorträge des niederländischen Anwalts Peter Vos zur Verordnung VO (EU) Nr. 261/2004 und des Tourismusberaters John James Downes (Schottland) zu Fragen der Verbesserung der Gesetzgebung im Tourismus und im Gastgewerbe mit Beispielen aus der Karibik, Europa, dem mittleren Westen, Afrika, Asien und Ozeanien rundeten die insgesamt anspruchsvolle Veranstaltung, die auf englischer Sprache abgehalten wurde, ab. Die 34. Konferenz ist im Herbst 2023 in Uruguay geplant (https://www.iftta.org/conference, Stand: 29.1.2023). Geeignet und empfohlen ist die Teilnahme für alle international orientierten und im Tourismusrecht spezialisierten Anwälte und Anwältinnen.
Die Deutsche Gesellschaft für Reiserecht (DGfR e. V.), eine wissenschaftliche Vereinigung zur Förderung des Reise- und Tourismusrechts, wird vom 29. bis 30.9.2023 an der SFU Wien den 31. Reiserechtstag veranstalten (https://www.dgfr.de/veranstaltungen/reiserechtstag, Stand: 29.1.2023)
Quelle: Dr. Stefanie Bergmann, ReiseRFD 2023, 22 bei beck-online