Die lange Geschichte eines ausgefallenen Ryanair-Fluges

Dreimal die Abflugzeit verschoben und als die Leute endlich im Flieger saßen, den gesamten Flug abgesagt, weil Slot verpasst. Die Story einer Ryanair-Maschine, die am Donnerstag von Köln-Bonn nach Mallorca fliegen sollte, offenbart ein echtes Kunden-Martyrium. Zu allem Überfluss mussten die Passagiere noch über eine Stunde im Flieger hocken, nachdem der Flug bereits gestrichen worden war. Es waren keine Busse da, die die Fluggäste zurück zum Flughafen bringen konnten. Überliefert ist noch, dass eine Flugbegleiterin, den Tränen nahe, ins Mikro gesagt haben soll, sie wolle „einfach nur nach Hause“. Mallorca Zeitung

Ausgerechnet zu Beginn der Sommerurlaubs-Saison fallen derzeit reihenweise Flüge aus. Das Chaos an vielen Flughäfen ist teilweise unbeschreiblich. Ob wegen Personalmangel wegen der Corona-Folgen, Streik oder Unwirtschaftlichkeit der Flugverbindung, der Ärger und die Unannehmlichkeiten der Fluggäste ist groß. Die Fluggäste sind jedoch durch die Fluggastrechte der EU abgesichert.

I Wann gelten die EU-Fluggastrechte?

Die Fluggastrechte der EU-VO 261/2004 gelten immer dann, wenn

  • ein Flug auf einem Flughafen innerhalb der EU startet oder landet
  • oder wenn der Flug von einer Airline durchgeführt wird, die ihren Hauptsitz in der EU hat.

II Was ist eine Annullierung?

(1) Eine Annullierung nach Art. 5 VO ist die Nichtdurchführung eines geplanten Fluges unter Aufgabe der ursprünglichen Flugplanung, für den zumindest ein Platz, also Sitzplatz, reserviert war (Art. 2 lit. l VO, EuGH, 5.10.2016, RRa 2017, 181: Wunderlich). Von einer Annullierung ist damit dann auszugehen, wenn der Flug, auf dem der Fluggast befördert wird, als solcher anders als geplant abläuft und sich seinem Zuschnitt nach als völlig anderer Flug darstellt. Das Luftfahrtunternehmen gibt damit die Planung des ursprünglichen Fluges auf. Eine Annullierung eines Fluges ist nicht schon jede Nichtbeförderung zur vorgesehenen Abflugzeit, sondern nur die endgültige Nichtdurchführung (EuGH, 19.11.2009, NJW 2010, 43: Sturgeon; EuGH, 13.10.2011, NJW 2011, 3776: Rodríguez).

 

Beispiel: Bricht das Luftfahrtunternehmen den Flug nach zwei Startversuchen ab und bringt die Fluggäste in den Warteraum, ohne dass nähere Informationen gegeben werden, liegt eine konkludente Annullierung des Flugs vor (LG Frankfurt a.M., 3.3.2011, RRa 2011, 133).

 (2) Der Begriff der Annullierung ist klar von der Flugverspätung zu trennen, da bei der Verspätung der ursprüngliche Flug durchgeführt wird. Eine Annullierung liegt auch dann vor, wenn ein Flugzeug zwar pünktlich startet, aber anschließend zum Ausgangsflughafen zurückkehren muss und Fluggäste dann auf andere Flüge umgebucht werden (EuGH, 13.10.2011, RRa 2011, 282: Rodríguez). Weil ein Flug maßgeblich durch die Flugroute geprägt ist, kann ein geplanter Flug immer dann als „nicht durchgeführt“ angesehen werden, wenn die Flugroute wesentlich geändert wird.

(3) An dem Erfordernis, dass zur Durchführung eines Fluges der Abflug- und der Ankunftsort mit dem vorgesehenen Flugplan in Einklang stehen müssen, hält der EuGH auch in seiner Entscheidung vom 5.10.2016 fest (EuGH, 5.10.2016, RRa 2017, 181: Wunderlich). Wenn bei einem Flug, bei dem der Abflug- und der Ankunftsort mit dem vorgesehenen Flugplan in Einklang stehen, jedoch eine unplanmäßige Zwischenlandung erfolgt, kann er nicht als annulliert angesehen werden (Burgas – Dresden mit unplanmäßiger Zwischenlandung Prag).

(4) Nach Auffassung des EuGH (EuGH, 21.12.2021, BeckRS 2021, 39446 – verb. Rs. C-146/20, C-188/20, C-196/20 und C-270/20, – Azurair u.a. sowie EuGH, 21.12.2021, BeckRS 2021, 39444 – Rs. C-263/20,– Airhelp/Laudamotion) ist ein Flug auch dann als annulliert zu betrachten, wenn das ausführende Luftfahrtunternehmen ihn um mehr als eine Stunde vorverlegt. Einer ausdrücklichen Entscheidung, den Flug zu annullieren, bedürfe es nicht, es reiche vielmehr, dass der ursprünglich vorgesehene Flug nicht durchgeführt werde. Die zeitliche Grenze von einer Stunde zwischen einer unerheblichen und einer erheblichen Vorverlegung entnimmt der EuGH dem Art. 5 Abs. 1 lit. c iii.

III Fluggastrechte der Unterstützung und Betreuung ohne Entlastung durch Airline

(1) Art 5 I a VO gewährt bei einer Annullierung des Fluges in jedem Fall ohne jede Entlastungsmöglichkeit zunächst die

  • Unterstützungsleistungen gem. Art. 8 VO (Erstattung des Flugpreises und Rücktritt, kostenloser Rückflug zum Abflugort oder eine anderweitige Beförderung) und die
  • Betreuungsleistungen nach Art. 9 I lit. a VO (angemessene Mahlzeiten und Erfrischungen), Art. 9 II (Kommunikationsmittel) sowie Art. 9 I lit. b und c VO (eine oder mehrere Nächte der Hotelunterbringung mit Transfer bei einem Ersatzflug am nächsten Tag).

Wenn die Fluggesellschaften also auch 14 Tage vor Abflug Änderungen bekannt geben, brauchen sie keine Ausgleichszahlung leisten. Der Fluggast bekommt aber eine andere Verbindung als Ersatzbeförderung angeboten. Das können Flüge zu anderen Uhrzeiten, in manchen Fällen auch von anderen Abflugsorten oder sogar zu anderen Zielen sein.

Wem das alternative Angebot aus irgendeinem Grund nicht passt, kann es ablehnen und mit diesem Rücktritt vom Vertrag seinen Ticketpreis zurückfordern. Entschädigungszahlungen gibt es also nicht, wenn der Flug mindestens 14 Tage vor Abflug annulliert wurde.

(2) Die Flugalternativen dürfen nicht nur angeboten werden, sondern der Fluggast muss mit dem angebotenen Ersatzflug sein Endziel tatsächlich höchstens zwei Stunden später als ursprünglich vorgesehen erreichen.

(3) Die Darlegungs- und Beweislast für die rechtzeitige Unterrichtung trägt nach Art. 5 IV VO das Luftfahrtunternehmen. Es ist Pflicht des Luftfahrtunternehmens, das den Flug gestrichen hat, sicherzustellen, dass betroffene Passagiere entsprechend informiert werden. Es muss die Flugreisenden zwar nicht persönlich informieren, sondern kann auch Internet-Reiseportale oder Reisebüros als ihre Vermittler in Kenntnis setzen. Das Risiko, dass die Information über die Flugannullierung nicht rechtzeitig beim Reisenden ankommt, muss das Luftfahrtunternehmen tragen (EuGH, 11.5.2017, RRa 2017, 172: Krijgsman; AG Erding, 29.12.2021, RRa 2022, 91)). In der Praxis erfahren die Fluggäste meistens erst am Flughafen von der kurzfristigen Annullierung des Fluges.

(4) Diese Ansprüche auf Unterstützung und Betreuung bestehen also unabhängig davon, ob die Annullierung rechtzeitig bekannt gegeben wird oder das Luftfahrtunternehmen sich nach Art. 5 III VO auf außergewöhnliche unvermeidbare Umstände berufen kann (EuGH, 31.1.2013, NJW 2013, 921: McDonagh).

 

Beispiel: Dem Fluggast wird beim Check-in in Frankfurt a.M. mitgeteilt, dass sein Flug mit der LH nach Madrid ersatzlos wegen schweren Wetters, wegen Streiks oder wegen Personalmangels gestrichen wurde. Der Fluggast hat Anspruch auf Betreuungsleistungen, kann aber auch Unterstützungsleistungen, wie den Rücktritt vom Vertrag und Erstattung des Flugpreises oder einen Ersatzflug, verlangen.

IV Ausgleichszahlung ohne rechtzeitige Information

Eine zusätzliche finanzielle Ausgleichsleistung nach Art. 7 VO hat das Luftfahrtunternehmen nur zu erbringen, wenn die Informationüber die Annullierung nicht rechtzeitig erfolgt, d.h.

  • mindestens 2 Wochen vor planmäßiger Abflugzeit (Art. 5 I lit. c i VO), oder
  • 2 Wochen bis 7 Tage vor planmäßiger Abflugzeit mit Flugalternativen, welche es ermöglichen, nicht mehr als zwei Stunden vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und das Endziel höchstens vier Stunden nach der planmäßigen Ankunft zu erreichen (Art. 5 I lit. c ii VO), oder
  • weniger als 7 Tage vor planmäßiger Abflugzeit mit Flugalternativen, welche es ermöglichen, nicht mehr als eine Stunde vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und das Endziel höchstens zwei Stunden nach der planmäßigen Ankunft zu erreichen (Art. 5 I lit. c iii VO).

V Wie hoch ist die Ausgleichszahlung?

(1) Die Höhe der Ausgleichszahlungen ist unabhängig vom bezahlten Ticketpreis und richtet sich je nach der Flugstrecke. Nach Art. 7 I VO sind folgende Summen vorgeschrieben: 

  • bei Flügen bis zu 1.500 km: 250 Euro
  • bei Flügen innerhalb der EU ab 1.500 km: 400 Euro
  • bei Flügen von 1.500 km bis 3.500 km (nicht innerhalb der EU): 400 Euro
  • Bei Flügen über 3.500 km (nicht innerhalb der EU): 600 Euro

(2) Diese Zahlungen können allerdings nach Art. 7 II der VO um die Hälfte gekürzt werden, wenn der Fluggast mit einem Alternativflug das Endziel innerhalb von folgenden zeitlichen Toleranzen erreicht:

·  ≤ 1.500 km                             250 € ≤ 2 Stunden 50 %

·  > 1.500–3500 km                  400 € ≤ 3 Stunden 50 %

·  > 3.500 km                             600 € ≤ 4 Stunden 50 %

(3) Ob der betroffene Fluggast das Angebot des Ersatzfluges annimmt oder den Rücktritt vom Flug mit Erstattung des Flugpreises wählt, hat keinen Einfluss auf die Halbierung der Ausgleichsleistung. Eine Begrenzung durch den Flugpreis besteht nicht.

VI Ausgleichsleistung und außergewöhnliche Umstände

(1) Erfahren die Fluggäste später als zu den genannten Terminen von der Annullierung des Fluges, haben sie einen Anspruch auf die Ausgleichszahlung, außer das Luftfahrtunternehmen kann sich wegen außergewöhnlicher Umstände nach Art. 5 III VO entlasten (Beispiele in ErwGr. 14, 15). Die Ausgleichszahlung entfällt also in jedem Fall, wenn das Luftfahrtunternehmen nachweisen kann, dass die Annullierung

  • trotz zumutbarer Maßnahmen,
  • auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht.

(2) Derartige außergewöhnliche Umstände können nach dem ErwGr. 14 der VO insbesondere

  • politische Instabilität,
  • Wetterbedingungen,
  • Sicherheitsrisiken,
  • unerwartete Flugsicherheitsmängel

sein, also Umstände, die nicht in die beherrschbare betriebliche Sphäre des Luftfahrtunternehmens fallen. Auch wenn „außerordentliche Umstände“ gegeben sind, muss das Luftfahrtunternehmen zusätzlich darlegen und beweisen, dass diese sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle erforderlichen zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären (EuGH, 19.11.2009, NJW 2010, 43: Sturgeon; EuGH, 22.12.2008, NJW 2009, 347: Wallentin-Hermann). Verlangt werden insoweit alle Maßnahmen, die der konkreten Situation angepasst waren, also für das Luftfahrtunternehmen in persönlicher, technischer oder wirtschaftlicher Hinsicht tragbar waren, die Folgen der Annullierung oder Ankunftsverspätung zu verringern oder zu vermeiden (EuGH, 4.5.2017, NJW 2017, 2665: Pešková,). Die Zumutbarkeit dieser Maßnahmen ist damit situationsabhängig zu beurteilen (BGH, 12.6.2014, NJW 2014, 3303: Fluglotsenstreik in Griechenland). Als Ausnahmeregelung vom Grundsatz, dass Fluggäste bei Annullierung eines Fluges Anspruch auf Ausgleichsleistungen haben, ist Art. 5 III der VO eng auszulegen, also zu Gunsten des Reisenden (BGH, 19.7.2016, RRa 2016, 286).

(3) Streik wird zwar als möglicher Entlastungsgrund im ErwGr. 14 genannt. Das kann ein Streik der eigenen Leute wie der Piloten, aber auch ein Streik Dritter wie anderer Airlines, der Fluglotsen oder von Mitarbeitern des Vorfelds sein. Hierbei gelingt der Entlastungsbeweis bei Streik Dritter leichter als bei Streik der eigenen Leute (Führich/Staudinger/Führich, Reiserecht, § 40 Rn. 82 ff.).

Allerdings hat der EuGH entschieden, dass weder ein gewerkschaftich organisierter Streik noch ein wilder Streik mit einer bloßen Arbeitsniederlegung der Mitarbeiter der Airline als ein außergewöhnlicher, unvermeidbarer Umstand angesehen werden kann. So ist ein nicht gewerkschaftlich organisierter „wilder Streik“ durch eine Arbeitsniederlegung zur Durchsetzung von unternehmenspolitischen Entscheidungen durch Umstrukturierungen im Unternehmen – auch durch massenhafte „plötzliche Erkrankungen go-sick“ von Mitarbeitern des Luftfahrtunternehmens – nach Auffassung des EuGH kein außergewöhnlicher Umstand, der er für das Luftfahrtunternehmen nicht beherrschbar ist. Nach Ansicht des EuGH war die Umstrukturierung durch das Unternehmen angekündigt und damit der „wilde Streik“ von der Ursache her ein Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des Luftfahrtunternehmens und auch vermeidbar (EuGH, 17.4.2018, EuZW 2018, 457, C-195/17: TUIfly). Die Auffassung, dass betriebsinterne Streiks in aller Regel keinen außergewöhnlichen Umstand darstellen, hat der EuGH in der Folge bestätigt sowohl bezüglich eines nach nationalem Recht rechtmäßig organisierten Streiks der eigenen Mitarbeiter (EuGH, 23.3.2021, RRa 2021, 120, C-28/20: Airhelp) als auch bezüglich eines konzerninternen Unterstützungsstreiks (EuGH, 6.10.2021, RRa 2021, 275, C-613/20: Eurowings).

Der EuGH unterscheidet also zwischen unternehmensinternen Streiks und externen Streiks außerhalb der Tätigkeit des Luftfahrtunternehmens. Interne Streiks bei der Airline sind keine außergewöhnliche Umstände, während externe Streiks in der Regel außergewöhnliche Umstände sind. Externe Streiks, sind Z. B. Streiks der Fluglotsen (so auch BGH, 6.4.2021, NJW-RR 2021, 926 – X ZR 11/20) oder des Flughafenpersonals (EuGH, 23.3.2021, RRa 2021, 120, C-28/20: Airhelp, Rn. 41 ff.).

(4) Technische Defekte am Flugzeug sind trotz regelmäßiger Wartung ebenfalls ein häufiger Grund auf den sich Luftfahrtunternehmen bei dem Entlastungsversuch berufen. Nach verbindlicher Auffassung des EuGH fällt ein technischer Defekt grundsätzlich nicht unter den Begriff „außergewöhnliche Umstände“, es sei denn, der Defekt ist nicht Teil der normalen Betriebstätigkeit der Airline und von ihr aufgrund ihrer Natur oder Ursache nicht zu beherrschen gewesen. Dies gilt auch dann, wenn das Luftfahrtunternehmen alle vorgeschriebenen Wartungsarbeiten ausgeführt hat (EuGH, 17.9.2015, NJW 2015, 3427: van der Lans). Nicht beherrschbare Umstände für technische Probleme können dagegen ausnahmsweise Vogelschlag (EuGH, 4.5.2017, NJW 2017, 2665: Pešková), zu Beschädigungen des Flugzeugs führende Fremdkörper auf dem Rollfeld (EuGH, 4.4.2019, NJW-RR 2019, 562 – C-501/17: Germanwings), Hagel, Blitzschlag, eine Biene im Staurohr zur Geschwindigkeitsmessung, versteckte Fabrikationsfehler, Sabotage oder ein terroristischer Anschlag sein.

(5) Sicherheitsrisiken, wie unerwartete Flugsicherheitsmängel, festgestellt durch die Flugüberwachung, oder frei laufende Katzen oder Mäuse, entlasten nach Erwägung 14. Auch die Überfüllung des Luftraums ohne Landeerlaubnis entlastet (BGH, 13.11.2013, NJW 2014, 859). Auch von einem Fluggast ausgehende Angriffe anderer Fluggäste und des Kabinenpersonals können ein solches Sicherheitsrisiko und damit einen außergewöhnlichen Umstand darstellen (EuGH, 11.6.2020, NJW-RR 2020, 871, C-74/19: Transportes Aéreos Portugueses).

(6) Schlechte Wetterbedingungen, wie Nebel, Schneefall am Flughafen, Gewitter, Blitzschlag, entlasten nur dann, wenn die Airline nachweist, dass alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden sind und alle Luftfahrtunternehmen des Flughafens betroffen waren (BGH, 25.3.2010, RRa 2010, 221: Nebel).

(7) Auch die im nationalen Kontext typischerweise unter dem Begriff höhere Gewalt verstandenen von außen einwirkenden Ursachen können entlasten, sowie etwa erhebliche Vulkanasche, z.B. durch den Vulkan Eyjafjallajökull, Naturkatastrophen, Krieg, Terror, politische Unruhen oder Instabilität und behördliche Eingriffe wie eine Luftraumsperre oder ein Großbrand auf dem Flughafen.

(8) Auch der Ausbruch einer Pandemie wie der Covid-19-Pandemie und die damit einhergehenden Flugverbote können – auch nach Auffassung der Kommission (Auslegungsleitlinien zu den EU-Verordnungen über Passagierrechte vor dem Hintergrund der sich entwickelnden Situation im Zusammenhang mit Covid-19, 2020/C 89/01, ABl. 2020 C 089 I, 1) – einen außergewöhnlichen Umstand darstellen, wobei jeweils im Einzelfall zu beurteilen ist, ob tatsächlich eine erfolgte Annullierung, etwa aus Gründen des Gesundheitsschutzes der Besatzung, unvermeidbar war.

(9) Dagegen sind Nachtflugverbote oder das Insolvenzrisiko wie bei Air Berlin grundsätzlich Teil der normalen Betriebstätigkeit.

(10) Entscheidungen des Luftverkehrsmanagements entlasten nach Erwägungsgrund 15 der VO, wie z.B. bei einem medizinischen Notfall an Bord, auch wenn das Ereignis bei einem Vorflug aufgetreten ist.

(11) Erkrankungen einzelner Mitarbeiter der Crew wie Covid oder auch eine deswegen angeordnete Quarantäne sind keine außergewöhnlichen Umständ, sondern Teil der normalen Tätigkeit des Luftfahrtunternehmens (LG Darmstadt, 6.4.2011, RRa 2011, 290).

(12) Flughafenbetreiber und ihre Subunternehmer sind dem Betriebsrisiko der Airline zuzurechnen, soweit sie unmittelbar in Erfüllung des Luftbeförderungsvertrages tätig werden, wie z.B. bei Ereignissen und Beschädigungen des Flugzeugs durch Treppen-, Catering oder Enteisungsfahrzeuge, welche zu Annullierungen oder Flugverspätungen führen (EuGH, 14.11.2014, Rra 2015, 15: Treppenfahrzeug). Ebenso ist eine unzureichende Bevorratung von Enteisungsmitteln kein außergewöhnlicher Umstand (OLG Brandenburg, 19.11.2013, Rra 2014, 81).

(13) Der Ausfall aller Computersysteme an den Abfertigungsschaltern fällt hingegen nicht in den Verantwortungsbereich eines Luftfahrtunternehmens und kann somit einen außergewöhnlichen Umstand darstellen (BGH, 15.1.2019, NJW 2019, 1369).

Quelle: Auszüge aus Führich/Achilles-Pujol, Basiswissen Reiserecht, 5. Aufl. 2022 (im Erscheinen)

Die lange Geschichte eines ausgefallenen Ryanair-Fluges

Dreimal die Abflugzeit verschoben und als die Leute endlich im Flieger saßen, den gesamten Flug abgesagt, weil Slot verpasst. Die Story einer Ryanair-Maschine, die am Donnerstag von Köln-Bonn nach Mallorca fliegen sollte, offenbart ein echtes Kunden-Martyrium. Zu allem Überfluss mussten die Passagiere noch über eine Stunde im Flieger hocken, nachdem der Flug bereits gestrichen worden war. Es waren keine Busse da, die die Fluggäste zurück zum Flughafen bringen konnten. Überliefert ist noch, dass eine Flugbegleiterin, den Tränen nahe, ins Mikro gesagt haben soll, sie wolle „einfach nur nach Hause“. Mallorca Zeitung

Fluggastrechte: Airline muss Entschädigung zahlen, wenn Reisebüro in ihrem Auftrag nicht fristgerecht über Flugannullierung informiert

Zusammengefasst nochmals das Wichtigste bei einer Flugabsage (Annullierung):

Annullierung des Fluges ist die Nichtdurchführung eines geplanten Fluges

Ansprüche sind:

  • Betreuungsleistungen plus
  • Unterstützungsleistungen wie zumutbarer Alternativflug oder Erstattung des Flugpreises plus
  • Ausgleichszahlung, entfällt aber, bei rechtzeitiger Informationen über Alternativflug
  • >14 Tage vor Abflug oder
  • 7–14 Tage mit > 4 h Verspätung oder
  • < 7 Tage mit > 2 h Verspätung oder
  • Airline legt dar und beweist
    • außergewöhnliche Umstände, wie z.B. Wetter, Sicherheit oder Streik Dritter, fehlendes Personal entschuldigt nicht!
    • und zumutbare Maßnahmen zur Vermeidung der Annullierung