Das Aufpeppen von Einzelleistungen zu Pauschalreisen ist ein Irrweg, meint Reiserechtler Ernst Führich in einem Gastkommentar in der Zeitschrift FVW. Den Vorstößen großer Veranstalter fehle die Rechtsgrundlage.
Die Versuche großer Veranstalter, ihre Einzelleistungen als Pauschalreise dem Kunden schmackhaft zu machen, sind zum Scheitern verurteilt. Als langjähriger Reiserechtler sehe ich weder für das Konstrukt der „gewillkürten Pauschalreise“ noch für das Aufpeppen von Hotelaufenthalt oder Flug durch ein Servicepaket als zweite, für eine Pauschalreise notwendige Reiseleistung, eine tragfähige Rechtsgrundlage.
Ich verstehe die Großveranstalter, dass sie aus Gründen des Marketing ihren Content einheitlich unter der wieder salonfähig gewordenen Pauschalreise anbieten wollen. Auch der Kunde sollte profitieren und eine Kundengeldabsicherung erhalten, obwohl er nur eine Reiseleistung bucht und keine gesetzliche Pauschalreise als Gesamtheit von mindestens zwei verschiedenen Arten von Reiseleistungen für den Zweck derselben Reise. Aber mehr Sicherheit für ihre Bausteine hätte die gesamte Branche einfacher haben können.
Gesetzgeber wollte Transparenz – und kein Wirrwarr
Schließlich hatte das Bundesjustizministerium zuerst vorgeschlagen, die bisherige, 30 Jahre lang bewährte Anwendung des Pauschalreiserechts durch Gerichte bei der Umsetzung der Pauschalreise-Richtlinie in Gesetzesform zu gießen. Bekanntlich ist die Bundesregierung aus Union und SPD im Rechtsausschuss umgefallen. Und das entgegen der Rechtsmeinung aller Sachverständiger, soweit sie keine Reiseverbände vertraten. Und nun versuchen manche Veranstalter durch die Hintertür, sich Marktvorteile durch ein künstliches Aufpeppen ihrer Einzelleistungen zu sichern. Auch wenn man dafür Rechtsrat eingeholt hat, man muss die Sache schon zu Ende denken.
Verständlich, dass eine solche Aufwertung von Einzelleistungen zu Pauschalreisen in der Branche und hier insbesondere bei den Reisebüros, digitalen Reiseplattformen und den IT-Dienstleistern zu großer Verwirrung führt. Beim Reiseverkauf ist den Unternehmen nicht klar, ob es sich wirklich um Pauschalreisen im Sinne des Gesetzes handelt oder um eine Vermittlung verbundener Reiseleistungen oder nur um Einzelleistungen. Greift die gesetzliche Insolvenzsicherung mit ihrem Schutzschirm von 110 Mio. Euro? Welche Informationspflichten bestehen? Und welche Musterformblätter sind dem Kunden vor seiner Vertragserklärung zur Verfügung zu stellen? Auch ist davon auszugehen, dass ein durchschnittlicher Kunde diese Grauzonen nicht versteht, obwohl die neue Pauschalreise-Richtlinie die Transparenz der Pauschalreise, von verbundenen Reiseleistungen und Einzelleistungen und damit die Rechtssicherheit verbessern wollte.
Gesetzlicher Schutzschirm darf nicht ausgehöhlt werden
Meine Antwort ist eindeutig. Das Konzept der vollen Harmonisierung eines einheitlichen EU-Pauschalreise-Rechts im Binnenmarkt spricht gegen eine „gewillkürte Pauschalreise“. Damit wird nicht nur der Markenkern der gesetzlichen Pauschalreise verwässert, sondern auch deren rechtliches Leitbild ist nicht mehr klar und verständlich. Möglicherweise liegt auch ein Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht durch eine irreführende geschäftliche Handlung vor, wenn bei der Vermarktung von Einzelleistungen als Dienstleistung eine Verwechslungsgefahr mit der gesetzlichen Pauschalreise hervorgerufen wird.
Zudem ist das neue Pauschalreiserecht für den Kunden schlechter als das Miet- und Werkvertragsrecht bei der Verjährung, dem Wegfall der Viermonatsgrenze bei Preiserhöhungen und einer leichteren Möglichkeit einer Leistungsänderung beim Flug oder bei der Unterkunft. Auch ist der gesetzliche Schutzschirm mit 110 Mio. Euro reserviert für die gesetzliche Pauschalreise und die verbundene Reiseleistungen und darf nicht durch ein Haftung für Einzelleistungen ausgehöhlt werden. Mit Recht haben daher die Kundengeldabsicherer größte Bedenken gegen eine „gewillkürte Pauschalreise“, der bei ihnen versicherten Veranstalter angemeldet.
Erhebliche Zweifel am Wert von Servicepaketen
Soweit Reiseveranstalter den anderen Weg wählen und ihre Einzelleistungen mit einem zusätzlichen Servicepaket als „sonstige touristische Leistung“ kombinieren wollen, bestehen ebenfalls erhebliche rechtliche Bedenken, ob dadurch eine Pauschalreise entsteht. Diese weitere touristische Leistung stellt keinen eigenen Zählwert dar und kann nicht als eigenständige Leistung, sondern nur als Nebenleistung zur Beherbergung beziehungsweise zu den Reiseleistungen der Personenbeförderung und Fahrzeugmiete angesehen werden. Wegen des zwingenden Charakters der neuen Begriffe der Pauschalreise können die im Gesetz angesprochenen „sonstigen touristischen Leistungen“ nicht durch einen Unternehmer dergestalt aufgewertet werden, dass sie keine bloßen Nebenleistungen, sondern Hauptleistungen darstellen und dann bei der Zählung Berücksichtigung finden.
Entscheidend ist jedoch, dass ein Servicepaket mit einem Betreuungsdienst, einem Sicherheitsmanagement, einem SMS-Service und einem digitalen Reiseführer keinen Mehrwert im Sinne einer selbstständigen Leistung darstellt. Dies sind bereits gesetzliche Pflichten eines Reiseveranstalters, welche nur seine Fürsorgepflicht gegenüber dem Reisenden konkretisieren. So muss ein Reiseveranstalter stets für den Reisenden mit einer Notrufnummer oder einer Kontaktstelle erreichbar sein. Auch hat der Reiseveranstalter die gesetzliche Pflicht, dem Reisenden bei allen Schwierigkeiten unverzüglich in angemessener Weise Beistand zu gewähren. Das Gleiche gilt für einen digitalen Reiseführer, der als wesensmäßiger Bestandteil einer Beherbergungsleistung aufgefasst werden kann, da der Kunde dadurch über den Ort und die Gegend seines Aufenthalts informiert wird. Letztlich ist festzustellen, dass ein solches Servicepaket auch keinen eigenen Wert, also einen Preis zugeordnet bekommt, und nicht eigenständig als touristische Leistung buchbar ist.