Führich, Ernst: Besprechung von EuGH, Art. v. 17.4.2018 C-195/17, MDR 2018, 726

Die massenweise Abwesenheit eines erheblichen Teils des Personals des Luftfahrtunternehmens TUIfly im Jahre 2016 hat nicht nur in der Presse, sondern auch in der Rechtsprechung und in der Literatur eine heftige Kontroverse ausgelöst, ob diese Krankmeldungen einen “außergewöhnlichen, unvermeidbaren Umstand” darstellen, welche TUIfly berechtigen, Ausgleichzahlungen nach Art. 5 III der VO (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und Rates vom 11.2.2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen[1]zu verweigern. Alleine 24 Vorabentscheidungersuchen des AG Hannover und eines des AG Düsseldorf waren in dieser Rechtsfrage unterschiedlicher Auffassung[2], so dass die Entscheidung des Gerichtshofs mit Spannung erwartet wurde.

Entgegen dem ausführlichen Schlussantrag des Generalanwalts Evgeni Tanchev vom 12.4.2018 legte die 3. Kammer der EuGH bereits am 17.4.2018 überraschend verbraucherfreundlich Art. 5 III der VO dahin aus, dass die spontane Abwesenheit eines erheblichen Teils des Flugpersonals („wilder Streik“), nicht unter den Begriff „außergewöhnliche Umstände“ im Sinne dieser Bestimmung fällt, wenn sie auf die überraschende Ankündigung von Umstrukturierungsplänen durch ein ausführendes Luftfahrtunternehmen zurückgeht und einem Aufruf folgt, der nicht von den Arbeitnehmervertretern des Unternehmens verbreitet wird, sondern spontan von den Arbeitnehmern selbst, die sich krank meldeten. Diese für viele Fluggäste weitreichende Entscheidung des Gerichtshofs gibt Anlass, den Begriff des außergewöhnlichen Umstands als Entlastungsgrund für einen Streik rechtlich zu bewerten und auf die praktische Folgen für die bisherige gegenteilige Auffassung des BGH hinzuweisen.

Führich, MDR 2018, 769 Wilder Streik