30 October 2015
Wichtige Änderungen des Reiserechts durch die neue EU-Pauschalreise-Richtlinie
von Prof. Dr. Ernst Führich
Das EU-Parlament hat am 27.10.2015 die finale Fassung der neuen EU-Pauschalreise-Richtlinie verabschiedet (Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Pauschalreisen und verbundene Reisearrangements, zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 und der Richtlinie 2011/83/EU sowie zur Aufhebung der Richtlinie 90/314/EWG). Die deutsche Fassung finden Sie im Internet auf meiner Website http://www.reiserecht-fuehrich.de (Deutsche Fassung vom 4. 9. 2015). Ziele der Richtlinie sind die Schaffung eines hohen Maßes an Wettbewerbsgleichheit zwischen allen Anbietern von Pauschalreisen im stationären Handel und im Internet und ein gerechter Ausgleich zwischen Verbraucherschutz und den Interessen der Anbieter im digitalen Zeitalter.
Jetzt muss der Gesetzgeber in Berlin aktiv werden. Mit dem Beginn der Umsetzungsfrist haben die EU-Mitgliedsstaaten 24 Monate Zeit, die Richtlinie in nationales Recht zu übertragen – also bis Ende 2017. Allerdings findet voraussichtlich im Herbst 2017 die Bundestagswahl statt. Daher ist es nicht sicher, ob es gelingen wird, diese Frist zu einzuhalten. Bis die Richtlinie auf nationaler Ebene von den Veranstaltern und Vermittlern angewendet werden muss, haben die Mitgliedsstaaten allerdings eine noch weitere Frist von 6 Monaten.
1. Vollharmonisierung
Der Spielraum für Berlin bei der Umsetzung in das nationale Recht der §§ 651a ff. BGB ist gering. Die neue Richtlinie ist sehr detailliert und harmonisiert vollständig das neue Recht (Art. 4). Führich: „Der deutsche Gesetzgeber darf nicht mehr und nicht weniger Verbraucherschutz einführen und muss überschießenden, bisher für den Reisenden oft besseren, Schutz abbauen und zurückführen auf den neuen, in manchen Fällen geringeren Schutzstandard der Richtlinie“. Die Richtlinie lässt den Mitgliedstaaten nur wenige Ausnahmen von dem Prinzip der Vollharmonisierung zu wie die Aufrechterhaltung der analogen Anwendung des Pauschalreiserechts auf die Einzelleistung einer Ferienunterkunft eines Reiseveranstalters oder ein 14-tägiges Widerrufsrecht im Fernabsatz bei Online-Buchungen.
2. Pauschalreise
Die neuen Vorschriften für Pauschalreisen beziehen sich auf zwei Arten von Verträgen: Auf Paketangebote (vom Veranstalter vorab oder nach den Vorgaben des Kunden zusammengestellt). Damit fällt auch das Paket aus mindestens zwei wesentlichen Reiseleistungen gebündelt durch ein Reisebüro als eigene Pauschalreise unter den Begriff der Pauschalreise. Eine touristische Leistung ist dann wesentlich, wenn sie mindestens 25 % des Werts der Kombination ausmacht.
Auch die sog. „verbundene Reiseleistung“, bei denen ein Kunde, der beispielsweise einen Flug gebucht hat, gezielt über einen Internet-Link zu zusätzlichen Reiseleistungen geführt wird, ist eine Pauschalreise. Diese „Click-Through“-Buchungen, bei denen der Name des Reisenden, Zahlungsdaten und die E-Mail-Adresse von dem Unternehmer, mit dem der erste Vertrag geschlossen wurde, an einen oder mehrere andere Unternehmer übermittelt werden und ein Vertrag mit Letztgenanntem/n spätestens 24 Stunden nach Bestätigung der Buchung der ersten Reiseleistung abgeschlossen wird, gelten als Pauschalreisen. Reiseveranstalter ist dann der Unternehmer, mit dem der erste Vertrag geschlossen wurde, also meist die Airline.
Geschäftsreisende unterliegen grundsätzlich der Richtlinie außer es liegen Rahmenverträge zwischen gewerblichen Kunden und Reisedienstleistern vor.
3. Reisevertrag
Bevor Urlauber durch ein Vertragsangebot gebunden sind, müssen die Reiseveranstalter und -vermittler sie klar und deutlich darüberinformieren, dass sie eine Pauschalreise erwerben, welche Rechte sie haben und wer letztendlich die Verantwortung trägt. Die vorvertraglichen Informationen, der Vertragsschluss und der Inhalt des Reisevertrages weichen nicht wesentlich vom bisherigen deutschen Recht ab, wurden aber erweitert. So sind bei der Preisangabe neben dem Gesamtpreis die Steuern, zusätzliche Gebühren und sonstige Entgelte anzugeben ähnlich der Regelung in Art. 23 EU-LuftverkehrsdiensteVO Nr. 1008/2008 (Art. 5 bis 8).
4. Änderungen des Reisevertrages vor der Reise
Insoweit ist keine wesentliche Änderung eingetreten. Allerdings berechtigen jetzt erst Preiserhöhungen ab 8 %, statt wie bisher 5 %, des Reisepreises zum kostenfreien Rücktritt.
Die allgemeine wirtschaftsrechtliche Regelung des der 4-Monatsgrenzedes § 309 Nr. 1 BGB wird in der Richtlinie nicht erwähnt, sollte aber bei der Umsetzung wie bisher unberührt bleiben, d.h. eine Preiserhöhung im Zeitraum von 4 Monaten zwischen Vertragsschluss und Reiseantritt ist in jedem Falle nach der auch für Pauschalreisen geltenden Richtlinie über missbräuchliche Vertragsklauseln ausgeschlossen.
5. Beendigung des Reisevertrages
Insoweit ist im Wesentlichen die deutsche Regelung der Stornierung in § 651i BGB, zur Reiseabsage wegen Nichterreichen einerMindestteilnehmerzahl und wegen unvermeidbarer außergewöhnlicher Umstände (dieser Begriff ersetzt den Begriff der höheren Gewalt) Inhalt der Richtlinie geworden. Im Gegensatz zum bisherigen deutschen Recht in § 651j BGB trägt der Veranstalter – und nicht der Reisende – die Mehrkosten einer notwendigen Unterbringung bis zu drei Nächten. Die Mehrkosten einer Rückbeförderung werden nicht mehr wie bisher geteilt zwischen Veranstalter und Reisenden, sondern diese muss alleine der Veranstalter tragen. Dies ist für den Reisenden eine Verbesserung.
Art. 12 V überlässt einen Widerruf innerhalb von 14 Tagen für im Fernabsatz geschlossene Verträge den Mitgliedstaaten. Insoweit ist bisher in § 312 II Nr. 4 BGB der Widerruf ausgeschlossen.
6. Haftung für die Reise
Die Haftungsregeln sind dem bisherigen deutschen Recht im BGB ähnlich. So hat der Reisende bei Vertragspflichtverletzungen ein Recht auf Abhilfe, ein verschuldensunabhängiges Preisminderungsrecht ( das ist für die meisten anderen Mitgliedstaaten neu!). DasSchadensersatzrecht für materielle und immaterielle Schäden bleibt im Wesentlichen gleich, während die Verjährung der Gewährleistungsansprüche nicht weniger als 2 Jahre betragen darf. Die bisherige Möglichkeit der Verkürzung durch AGB auf ein Jahr entfällt damit. Auch die deutsche Sonderregelung einer Ausschlussfrist zur Anmeldung von Ansprüchen innerhalb eines Monats nach Reisende (§ 651g I BGB) künftig wird nicht mehr möglich sein.
7. Verbundene Reiseleistungen und Insolvenzsicherung
Neu sind die sog. durch den Reisevermittler verbundenen Reiseleistungen, wenn der Vermittler mindestens zwei verschiedene Reiseleistungen für dieselbe Reise durch separate Verträge mit den Leistungsträgern lediglich vermittelt. Diese verbundenen Reiseleistungen sind keine Pauschalreise, jedoch bestehen besondere Informationspflichten und ein Insolvenzschutz. Daher muss der Vermittler den Reisenden aufklären, dass er keine Pauschalreise bucht, sonst haftet er wie ein Reiseveranstalter. Zudem muss der Reisevermittler durch seine Bücher als eigene Gelder laufende Zahlungen des Reisenden gegen seine Insolvenz absichern.
8. Insolvenzsicherung des Reiseveranstalters
Die Richtlinie sieht die gegenseitige Anerkennung des in jedem Mitgliedstaat geltenden Insolvenzschutzmodells vor. Wie der Insolvenzschutz ausgestaltet ist, bleibt wie bisher dem Mitgliedstaat überlassen. Neu ist auch die ausdrückliche Einbeziehung von Reiseveranstaltern aus Nicht-Mitgliedstaaten, die in einem EU-Staat Pauschalreisen anbieten. Diese Veranstalter müssen nach dem Recht des Mitgliedstaates Sicherheit leisten, in dem sie auf dem Markt anbieten (Art. 17).
Prof. Dr. Ernst Führich
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