Bei der rechtlichen Diskussion um die Deckelung der Erstattung durch den Insolvenzabsicherer auf einen Höchstbetrag von 110 Mio. Euro geht das Gesetz in § 651r BGB davon aus, dass unter den Höchstbetrag nicht die von einem Kunden verauslagten Rückreise- und Beherbergungskosten fallen. Sind insoweit bei einer Pauschalreise mit vereinbarter Rückreise dem Kunden Aufwendungen entstanden, sind diese in unbeschränkbarer Höhe vom Absicherer zu übernehmen. Grund: Rückreise und Hotelaufenthalt bis dahin müssen kostenlos sein. Das fordert die EU-Pauschalreiserichtlinie und das deutsche Reiserecht. Verletzt der Absicherer seine gesetzlichen Pflichten, hat der Reisende einen nicht beschränkbaren Schadensersatzanspruch gem. § 280 I BGB.
Ausgangspunkt der Auslegung des Gesetzes ist die Tatsache, dass § 651r BGB zwingendes Recht ist und nicht durch irgendwelche Vereinbarungen des Veranstalters oder seines Absicherers umgangen werden kann (§ 651y BGB).
Sodann unterscheidet das Gesetz Erstattungsansprüche des von einer Insolvenz betroffenen Reisenden gegen den Absicherer und die kostenlose Sicherstellung der Rückreise und der Beherbergung bis zu diesem Zeitpunkt durch den Reiseveranstalter mit seinem Kundengeldabsicherer.
ERSTATTUNGSANSPRÜCHE
- Vor Reisebeginn sind bei Ausfall von Reiseleistungen wegen Zahlungsunfähigkeit gem. § 651 I Nr. 2 BGB alle nach Vertragsschluss und vor Reisebeginn geleisteten Anzahlungen als geleistete Beträge iSv Art. 17 I der neuen PRL zu erstatten.
- Nach Reiseantritt sind die nicht erbrachten Leistungen anteilig bis zum Höchstbetrag zu erstatten (§ 651r I Nr. 1 BGB).
- Zu erstatten sind gem. § 651r I Nr. 2 BGB auch alle vom Kunden erbrachte Zahlungen gegenüber Leistungserbringern, deren Forderungen der Veranstalter nicht erfüllt hat (Doppelzahlungen). Versicherungsbedingungen die hiervon abweichen sind unwirksam (§ 651y BGB).
- Diese Erstattungsansprüche (Nr. 1-3) sind Direktansprüche der Betroffen Kunden gegen den Absicherer (§ 651r IV 1 BGB) und können gerichtlich am Gericht des Wohnsitzes des versicherten Kunden eingeklagt werden.
- Diese genannten Erstattungsansprüche kann der Absicherer für alle bei ihm versicherten Reiseveranstalter auf einen Höchstbetrag von 110 Mio. Euro im Geschäftsjahr deckeln. Die neue EU-Pauschalreiserichtlinie geht grundsätzlich von einem umfassenden Schutz des Reisenden aus, lässt aber – anders als die Vorgänger-Richtlinie – eine Begrenzung der Erstattung zu, wenn eine vollständige Risikoabsicherung unverhältnismäßige Kosten verursachen würde. Ob diese Deckelung bei einem Konzernveranstalter mit einem Milliardenumsatz vieler Tochter-Reiseveranstalter ein ausreichend hoher Prozentsatz im Sinne der Pauschalreiserichtlinie ist, erscheint mir als Reiserechtler sehr zweifelhaft. Letztlich wird der Europäische Gerichtshof in Luxemburg zu klären haben, ob die Pleite von Thomas Cook Deutschland für den Absicherer Zurich ein höchst unwahrscheinliches Risiko war. Auf jeden Fall müssen die 110 Mio. Euro für die Erstattungsansprüche zur Verfügung stehen und dürfen nicht durch weitere Ansprüche, die aus der Rückbeförderung entstehen, geschmälert werden!
KOSTENFREIE RÜCKREISE UND BEHERBERGUNG
- Sofern die Pauschalreise auch die Beförderung umfasst, hat der Veranstalter den Rücktransport und die Beherbergung bis dahin sicherzustellen (§ 651r I 2 BGB). Anders als im bisherigen Recht wird der Kunde nicht mehr auf einen nachträglichen Kostenerstattungsanspruch für notwendige Aufwendungen verwiesen. Das gilt auch bei einem vorzeitigen Reiseabbruch. Für den Kunden hat dies den Vorteil, dass er nicht selbst die Rückreise organisieren muss. Die Rückbeförderung wird nach der gesetzlichen Regelung für den insolventen Veranstalter durch den Absicherer und durch andere von ihm beauftragte Leistungserbringer organisiert. Folglich ist der Reisende nicht mehr berechtigt, die Rückreise selbst zu organisieren. Nach dem britischen Umsetzungsgesetz hat der Staat die kostenlose Rückreise organisiert und bezahlt.
- Kommt der Kundengeldabsicherer dieser gesetzlichen Verpflichtung zur Organisation der für den Kunden kostenfreien Rückbeförderung nicht nach, weil er im Verzug ist oder die Erfüllung verweigert wird, kann der Reisende eine seiner ursprünglich gebuchten entsprechende Rückbeförderung ausnahmsweise selbst sicherstellen und einen Schadenersatzanspruch gem. § 280 I BGB gegen den Absicherer geltend machen. Dieser zusätzliche Anspruch wird NICHT DURCH DIE DECKELUNG EINER HÖCHSTGRENZE ERFASST.
Vgl. insoweit touristik aktuell vom 1.11.2019