Reinfall statt Reiselust – Ein Artikel in der WELT von Christian Euler mit Zitaten von Professor Führich zur reiserechtlichen Problematik bei Online-Buchungen von Ferienwohnungen bei Internet-Plattformen.
Der Trend zur Reisebuchung im Internet ist besonders bei Ferienhäusern ausgeprägt. Doch wenn es Probleme gibt, sind Vermittlungsportale in der Regel keine Hilfe.
Über mangelnde Aufträge muss sich Alex Rosenberger* schon lange nicht mehr beklagen. Seit Jahren brummen die Geschäfte bei dem 48 Jahre alten Installateur. Als im Frühjahr gleich zwei bewährte Mitarbeiter für mehrere Wochen ausfielen, kam der rastlose Ludwigsburger an seine Grenzen. Mit ungezählten 16-Stunden-Tagen hielt er seine Firma am Laufen – und war Ende Mai buchstäblich reif für die Insel.
Elba sollte es sein, das hatten der leidenschaftliche Skipper und seine Frau Manuela bereits im Winter beschlossen. Weil die Traumwohnung in der Nähe des Bergdörfchens Capoliveri nur noch für zehn Tag frei war, buchten die beiden beim Vermittlerportal FeWo-direkt.de ein kleines Appartement für drei Tage in Cavo.
Zwei Tage vor der Ankunft in dem idyllischen Hafenstädtchen schrieb Rosenberger eine E-Mail an den Vermieter, um die Schlüsselübergabe zu vereinbaren. „Antwortzeit: innerhalb einer Stunde“, versprach die Internetseite. Doch nichts geschah. Als die entscheidende Auskunft auch am nächsten Tag noch auf sich warten ließ, kontaktierte Rosenberger den Kundenservice von FeWo-direkt.de. Die Warteschleife im Help-Center erforderte viel Geduld, doch der Chat funktionierte einwandfrei: Rosenberger erhielt die Telefonnummer des Vermieters.
Dieser beantwortete seine SMS-Anfrage zeitnah mit einer weiteren Nummer – ohne seinen Namen zu nennen. Es war der Anschluss einer Dame, der englischen Sprache nicht mächtig, mutmaßlich die Verwalterin des Objekts. Nur dank seines Volkshochschulkurses „Italienisch für Anfänger“ schaffte es der Elba-Fan, einen Treffpunkt für den Anreisetag in Cavo zu vereinbaren. „Die Wohnung war ein kompletter Reinfall“, empört sich Rosenberger. Über einer gut frequentierten Bar gelegen, war an die ersehnte Ruhe frühestens ab zwei Uhr in der Nacht zu denken. Die Fenster zu schließen, um mit der Klimaanlage angenehme Temperaturen zu schaffen, machte die Lage nicht angenehmer: Das unüberhörbare Lüftungsgeräusch war bestenfalls das kleinere Übel.
Ärgerlich auch, dass sich der in der Objektbeschreibung versprochene Balkon als Geländer vor einem bodentiefen Fenster entpuppte. „Ihr perfekter Urlaub beginnt hier“, verspricht FeWo-direkt.de auf seiner Homepage. Genauso hatten sich die Rosenbergers das vorgestellt – die Wohnung in Cavo verließen sie indes nach der ersten schlaflosen Nacht.
Ein preisliches Entgegenkommen von FeWo-direkt.de – nach eigenen Angaben mit mehr als zwei Millionen Feriendomizilen in über 190 Ländern die Nummer eins in der Online-Ferienhausvermietung – gab es nicht. „Wir bedauern, dass Sie mit Ihrer Buchung nicht zufrieden sind. Bitte beachten Sie jedoch, dass wir nur eine Plattform für Anzeigen sind“, lautete die lapidare schriftliche Antwort des Kundenservice.
Das bestätigt auch die Pressesprecherin der FeWo-direkt.de-Muttergesellschaft HomeAway: „Die Vermietungsverträge werden zwischen dem Urlauber und dem Eigentümer der Ferienunterkunft geschlossen. FeWo-direkt.de bietet Reisenden und Besitzern von Ferienwohnungen eine Interaktionsplattform, ist jedoch nicht und wird zu keiner Zeit Teil etwaiger Vertragsbeziehungen zwischen Reisendem und Eigentümer.“ Dennoch verlangt die Plattform „Servicegebühren“ von bis zu zehn Prozent der Nettomiete.
„Das Problem ist, dass viele Quartiersuchende glauben, FeWo-direkt.de sei eine Buchungsplattform“, gibt Ernst Führich, emeritierter Reiserechts-Professor der Hochschule Kempten zu bedenken, „FeWo-direkt.de veröffentlicht aber nur die vom Vermieter teuer bezahlten Inserate und hat mit der Wohnung und der Buchung überhaupt nichts zu tun.“
Anders ausgedrückt: Urlauber schließen bei einer Buchung privatrechtlich mit einer völlig unbekannten Person einen Mietvertrag – nach meist ausländischem Recht. Bei den Rosenbergers zeigte der Vermieter wenig Verständnis: Er unterstellte dem Paar, sich einen vergünstigten Urlaub erschleichen zu wollen. Seinen Namen wollte er weiterhin nicht offenbaren – ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Die Stiftung Warentest zitiert weitere Fälle, die Urlaubern die Stimmung verdarben: Bei einem verwandelte sich die gebuchte Privatunterkunft tagsüber in eine öffentliche Musikschule.
Anderen Reisenden stornierten Vermieter während der Anreise das Zimmer. Wieder andere trafen auf dreiste Gastgeber, die zusätzlich Kasse machen wollten. Auch Nutzer von Airbnb, 9flats.com und Wimdu beschwerten sich, dass ihre Unterkunft schlechter war als erwartet. Von 338 Einträgen zu FeWo-direkt.de auf dem Bewertungsportal Trustpilot.com sind 87,6 Prozent negativ.
Wenig Hilfe bringt in derartigen Fällen die Anleitung „Tipps und Tricks für einen gelungenen Ferienhausurlaub“ oder die „Mit-Vertrauen-Buchen-Garantie“ auf der Website von FeWo-direkt.de. Kunden müssen eine ganze Reihe von Anforderungen erfüllen, um später Anspruch auf Rückerstattung zu haben. Zudem ist die entsprechende Passage in den Geschäftsbedingungen sieben Absätze lang, und es ist schwierig, alle Voraussetzungen zur Erstattung zu erfüllen. Alex Rosenberger würde am liebsten vor Gericht gehen, doch seine Chancen scheinen gering. „Reine Vermittler von Ferienwohnungen sind in der Regel nicht die richtigen Adressaten für die Mängelanzeige“, erläutert Eugénie Zobel-Kowalski, Juristin bei der Stiftung Warentest. „Gegen den Vermittler klagen erscheint in der Regel nur bei Streitigkeiten zwischen ihm und dem Kunden sinnvoll – etwa wenn der Vermittler den Bezahlvorgang über sich abwickeln lässt, aber das Geld nicht an den Vermieter weiterleitet.“
Oliver Buttler, Abteilungsleiter für Telekommunikation, Internet und Verbraucherrecht bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, sieht das anders: „Der Betreiber eines Internetportals haftet auch dann für die Inhalte Dritter, wenn er sich den Inhalt dieser zu eigen macht. Da sogenannte Vermittlungsportale Daten von Anbietern übernehmen und letztlich davon wirtschaftlich profitieren, müsste FeWo-direkt.de hier somit geradestehen.“ Der BGH hatte im April dieses Jahres entschieden, dass der Betreiber eines Bewertungsportals für Informationen auch von Dritten haftet (VI ZR 123/16).
Selbst das dürfte die Erfolgschancen für Rosenberger nur wenig erhöhen, denn erschwerend kommt hinzu, dass bei FeWo-direkt.de Schweizer Recht gilt. „Das ist zulässig, aber indirekt eine absichtliche Hürde, um den Kunden von Ansprüchen gegen den Vermittler abzuhalten“, moniert Reiserechtexperte Führich, „der Kunde müsste also nach Schweizer Recht klagen.“
Bleibt also die Klage gegen den renitenten Vermieter, die kaum mehr Erfolg verspricht, weil sich das Apartment außerhalb Deutschlands befindet. „Dann muss in der Regel auch im Ausland nach dortigem Recht geklagt werden“, bemerkt Zobel-Kowalski von der Stiftung Warentest. An Klärung mangelt es offensichtlich auch seitens der Politik. „Die Reform des Reiserechts in Deutschland im Zuge der Umsetzung der EU-Pauschalreiserichtlinie hat gezeigt, dass der Ferienhausmarkt von Vermittleragenturen wie FeWo-direkt.de eines der dringenden Probleme ist“, betont Reiserechtler Führich. Dennoch habe das vom Bundestag beschlossene neue Pauschalreisegesetz nicht diese Agenturen erfassen wollen. „Dies ist ein Skandal“, zürnt Führich, der Sachverständiger im Bundestag war.
Auch eine Prüfung der Objekte durch die Vermittler selbst ist unrealistisch: „Aufgrund dieses großen Angebotes kann FeWo-direkt.de keine Qualitätschecks aller Inserate vor Ort vornehmen“, heißt es etwa bei FeWo-direkt.de.
Das Nachsehen haben Urlauber wie Alex und Manuela Rosenberger – die nicht einmal ihre Erfahrungen teilen konnten. Zwar konnten sie ihr Urteil im Internet abgeben. Doch auf der Seite des Appartements steht bis heute nur in dürren Worten: „Dieses Objekt hat noch keine Bewertungen.“ Die Nachfrage der Rosenbergers, warum ihre Mitteilung offensichtlich im World Wide Web versandet ist, blieb schlicht und einfach unbeantwortet.
*Namen geändert