(28.8.20) Die Reform der Kundengeldabsicherung lässt auf sich warten. Selbst das zuständige Bundesjustizministerium bezweifelt nun, dass die Neufassung noch zum neuen Reisejahr in Kraft treten wird.

Das politische Ziel war klar: Die Neuregelung der Insolvenzsicherung für Veranstalter sollte zum Start des neuen Reisejahres in Kraft treten. Doch seitdem die Bundesregierung am 10. Juni ihr Eckpunktepapier herrscht Funkstille. Mit dem Ende der Sommerpause soll nun Bewegung in die Reform kommen und der lang erwartete Referentenentwurf vorgelegt werden. Damit sei „in Kürze“ zu rechnen, erklärte das Bundesjustizministerium (BMJV).

Zugleich machte ein Sprecher des BMJV gegenüber der fvw deutlich: „Die Neuregelung wird wohl nicht zum Start des neuen Reisejahres am 1. November 2020 in Kraft treten.“ Im Markt werden bereits der Jahreswechsel oder der April 2021 als Ausweichtermine gehandelt. Zugleich ergänzte der Sprecher: „In jedem Fall wird es eine Übergangsregelung geben, die einen schonenden Übergang vom derzeitigen zum neuen Absicherungssystem ermöglicht.“ 

Details der Ausgestaltung sind strittig

Das noch nicht eingelöste Versprechen dürfte in der Branche gut ankommen, denn sie fürchtet, dass eine abrupte Umstellung auf das politisch gewollte Mischmodell aus Versicherung und Garantiefonds die Veranstalter überfordern würde – erst recht in der ruinösen Corona-Situation. 
Warum aber braucht die Regierung so lange, um die Ausgestaltung zu konkretisieren? An der Versicherungsschicht, die im Pleitefall zuerst verwertet würde, scheint es nicht zu liegen. Gerungen wird vielmehr um die Höhe der Beiträge, mit denen die Veranstalter den Fonds auffüllen sollen. Diskutiert wird, ob sie ein bis zwei Prozent ihrer absicherungspflichtigen Umsätze in den Pool einzahlen sollen, damit künftig alle Veranstalter einschließlich der größten voll abgesichert sind.

Mehr Zeit für klamme Firmen

Überschuldete Unternehmen sollen mehr Zeit für die Sanierung erhalten. Doch die Zahl touristischer Insolvenzen steigt verglichen zu anderen Branchen. 

Die Reaktionen darauf reichen von völliger Ablehnung bis Zustimmung, wenn es für alle gleich gilt und gegenüber Kunden gesondert ausweisbar ist. Auch die Trägerschaft des Fonds und die avisierte Staatsgarantie während der Aufbauphase müssen Experten zufolge noch konkretisiert werden. 

Absturz der Bonitäten treibt Prämien hoch

Eine Lösung muss her. Denn derzeit können weder Veranstalter noch Versicherer planen. Wechsel sind unter dem alten Regime unmöglich geworden, da de facto kein Absicherer noch Neugeschäft annimmt. Für den Übergang sollen dieses Jahr auslaufende Verträge zwar verlängert werden. Entsprechende Verhandlungen zwischen betroffenen Veranstalter und ihrem Absicherer laufen bereits.

Da jedoch Corona-bedingt die Bonität nahezu aller Reiseunternehmen und der Branche insgesamt dramatisch abgestürzt sind, stehen Preiserhöhungen von 100 bis 150 Prozent im Raum. Ob diese am Ende auch durchgesetzt werden, müssen die individuellen Verhandlungen zeigen. Und sollte eine Neuregelung auch in den kommenden Monaten nicht gelingen, denken einzelne Versicherer über einen Rückzug nach. Der mit im Kern fünf Kundengeldabsicherern ohnehin dürr besetzte Markt würde damit weiter austrocknen.

Anmerkung: Leider sitzen am Tisch des BMJV keine ausgewiesenen Experten des Reiserechts der Deutschen Gesellschaft für Reiserecht (DGfR). Ich selbst habe mich aus Verärgerung über die Umsetzung der neuen Pauschalreiserichtline durch die Groko nach der Pleite von TC aus der Gesetzgebung zurückgezogen.

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