Der EuGH hat entschieden, dass das Vorhandensein von Treibstoff auf einem Rollfeld, das zu dessen Schließung und deswegen zu erheblicher Verspätung eines Fluges geführt hat, einen außergewöhnlichen Umstand darstellt, der die Fluglinie von einer Entschädigungspflicht wegen Flugverspätung befreien kann.
EuGH, Urteil vom 26.06.2019, C-159/18 – Moens/Ryanair
Herr M. verlangt von Ryanair eine pauschale Entschädigung von 250 Euro, weil sein Flug von Treviso (Italien) nach Charleroi (Belgien) über vier Stunden Verspätung hatte. Ryanair lehnte eine Zahlung mit der Begründung ab, dass die Verspätung auf einen außergewöhnlichen Umstand zurückzuführen sei, die Startbahn habe nämlich wegen ausgelaufenem Treibstoff geschlossen werden müssen. Das von Herrn M. angerufene Friedensgericht des dritten Kantons von Charleroi hat den EuGH vor diesem Hintergrund um Auslegung der EU-Fluggastrechteverordnung ersucht.
Der EuGH hat dem Friedensgericht des dritten Kantons von Charleroi wie folgt geantwortet:
1. Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.02.2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 sei im Licht ihrer Erwägungsgründe 14 und 15 dahin auszulegen, dass das Vorhandensein von Treibstoff auf einer Flughafenrollbahn, das zu deren Schließung und folglich zur erheblichen Abflug- oder Ankunftsverspätung auf diesem Flughafen geführt hatte, unter den Begriff „außergewöhnliche Umstände“ im Sinne dieser Bestimmung falle, wenn der fragliche Treibstoff nicht von einem Flugzeug des Luftfahrtunternehmens stamme, das diesen Flug durchgeführt habe.
2. Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 sei im Licht ihrer Erwägungsgründe 14 und 15 dahin auszulegen, dass das Vorhandensein von Treibstoff auf einer Flughafenrollbahn, das zu deren Schließung geführt hatte und das unstreitig ein „außergewöhnlicher Umstand“ sei, als ein Umstand anzusehen sei, der sich auch dann nicht hätte vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen im Sinne dieser Bestimmung ergriffen worden wären.
Zu Antwort 1: Ein Luftfahrtunternehmen sei von seiner Verpflichtung zu Ausgleichszahlungen an die Fluggäste befreit, wenn es nachweisen könne, dass die Annullierung des Fluges bzw. dessen um drei Stunden oder mehr verspätete Ankunft auf „außergewöhnliche Umstände“ zurückgehe, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären oder es bei Eintritt eines solchen Umstands die der Situation angemessenen Maßnahmen ergriffen habe, indem es alle ihm zur Verfügung stehenden personellen, materiellen und finanziellen Mittel eingesetzt habe, um zu vermeiden, dass dieser zur Annullierung oder zur großen Verspätung des betreffenden Fluges führe.
Das Vorhandensein von Treibstoff auf einer Flughafenrollbahn, das zu deren Schließung und folglich zur erheblichen Abflug- oder Ankunftsverspätung auf diesem Flughafen geführt habe, könne seiner Natur oder Ursache nach nicht als Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens angesehen werden. Im Übrigen sei ein solcher Umstand von dem betreffenden Luftfahrtunternehmen nicht tatsächlich zu beherrschen, da die Instandhaltung des Rollfelds nicht in dessen Zuständigkeit falle und die Entscheidung der zuständigen Flughafenbehörden, ein Flughafenrollfeld zu schließen, für die Luftfahrtunternehmen verbindlich sei. Daher sei das Vorhandensein von Treibstoff auf einer Flughafenrollbahn, das zu deren Schließung und folglich einer erheblichen Flugverspätung geführt habe, als „außergewöhnlicher Umstand“ anzusehen.
Zu Antwort 2: Ein Luftfahrtunternehmen sei von seiner Verpflichtung zu Ausgleichsleistungen für Fluggäste befreit, wenn es nachweisen könne, dass die Annullierung des Fluges oder dessen um drei Stunden oder mehr verspätete Ankunft auf außergewöhnliche Umstände zurückgehe, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.
Im vorliegenden Fall habe ein Luftfahrtunternehmen im Fall einer Entscheidung der Flughafenbehörden, die Startbahn eines Flughafens zu schließen, dieser Folge zu leisten und die Entscheidung dieser Behörden, diese Rollbahn wieder zu öffnen, oder eine andere Abhilfe abzuwarten. Daher habe ein Luftfahrtunternehmen wie das im Ausgangsverfahren fragliche keine möglichen zumutbaren Maßnahmen ergreifen können, um den in Rede stehenden außergewöhnlichen Umstand zu vermeiden.
juris-Redaktion
Quelle: Pressemitteilung des EuGH v. 26.06.2019