Ab 29. März 2019 ist Großbritannien nicht mehr Mitglied der Europäischen Union, wenn die EU und Großbritannien sich nicht um eine Verlängerung der Austrittsfrist einigen. Zwei Jahre nach dem Referendum und wenige Wochen vor dem Austritt weiß eigentlich niemand, ob es zu einem harten oder weichen Brexit mit einer Übergangslösung kommt. An sich ein Skandal! Die Medien zeigen Horrorszenarien auch für Reisende auf. So müssten britische Flugzeuge am Boden bleiben und Staus an Flughäfen und im Fahrhafen Dover würden Reisen schwer beeinträchtigen. Käme es doch noch zu einem weichen Brexit mit einem Austrittsvertrag zwischen der EU und Großbritannien, würde eine Übergangsfrist gelten, in der sich in der Praxis nichts Wesentliches ändert. Diese Übergangsfrist würde bis mindestens bis Ende 2020 und höchstens bis Ende 2022 gelten. Noch ist es aber ungewiss, ob ein solcher Übergangsvertrag zustande kommt.

Aus der Sicht eines Reiserechtswissenschaftlers möchte ich auf die wichtigsten Fragen für Reisende, insbesondere für Touristen, Antworten für Reisen nach Großbritannien geben.

Einreise und Visum

EU-Bürger müssen damit rechnen, statt des Personalausweises den Reisepass vorzeigen zu müssen. Ein Visum wird Großbritannien von EU-Bürgern wahrscheinlich nicht verlangen. Die Grenzkontrollen sind bisher schon strenger als in den meisten anderen Ländern der EU, weil die Briten nicht zum Schengen-Raum gehören.

Möglicherweise müssen Reisende aus der EU künftig, wie solche aus außereuropäischen Ländern, vor der Einreise sogenannte Landing Cards ausfüllen mit persönliche Angaben wie Name, Beruf, Nationalität und die Länge des Aufenthalts. London hat bereits beschlossen, dass EU-Reisende nicht an der Grenze befragt werden sollen, wie dies in den USA oder Australien der Fall ist.

Kommt es zu einem weichen Brexit mit Übergangsvertrag sollen auch nach 2022 Reisen problemlos möglich sein und EU-Bürger dauerhaft kein Visum benötigen. Umgekehrt dürfen auch die Briten weiter ohne Visum in die EU reisen. Allerdings ist die Visa-Befreiung nur für sogenannte „kurze Besuche“ zugesichert. Was genau das bedeutet, ist noch unklar. Wahrscheinlich wird die neue Regelung, ähnlich zu der in der Schweiz, die ebenfalls kein EU-Mitglied ist, werden. Dort dürfen sich EU-Bürger bis zu 90 Tage visumfrei aufhalten. In Großbritannien sollen aber zusätzlich für Studenten, Wissenschaftler und Jugendaustausche erleichterte Einreise- und Aufenthaltsbedingungen gelten.

Luftverkehr

Großbritannien wäre bei einem harten Brexit nicht mehr im Luftverkehr-Binnenmarkt der EU und ein sog. Drittland. Im Luftverkehr drohen daher die größten Konflikte. Denn wäre die europäische Luftsicherheitsbehörde EASA nicht mehr wie bisher für Großbritannien zuständig und es müssten viele Flugzeuge ohne Zulassung hier in Deutschland am Boden bleiben. Deshalb ist es erforderlich, dass die Safety-Bestimmungen (inklusive Zulassungen und Zertifizierungen) in Großbritannien  weiterhin durch die EASA reguliert werden. Nach einem harten Brexit dürfen Fluggesellschaften aus Großbritannien ohne ein zusätzliches Luftverkehrsabkommen weder in der EU landen noch Flüge zwischen einzelnen EU-Staaten anbieten. Das beträfe auch Fluggäste, die einen Langstreckenflug mit Umstieg in London gebucht haben. Reisen von, über oder nach Großbritannien können aber kurzfristig storniert werden, sollten sie bedingt durch einen harten Brexit nicht mehr durchführbar sein. Das würde auch bedeuten, dass zum Beispiel Ryanair keinen Flug mehr von Deutschland nach Spanien anbieten dürfte. Hiervon sind insbesondere Easyjet, aber auch Ryanair betroffen. Beide Airlines haben jedoch Tochtergesellschaften in der EU gegründet, um diese Unsicherheiten zu umgehen.

Auch hat die EU-Kommission Notfallpläne erstellt, nach denen britische Airlines auf Basisverbindungen in die EU fliegen dürfen. Bis Ende März 2020 sollen diese Notfallpläne bei einem weichen Brexit gelten. Ob die Briten umgekehrt das ebenso handhaben für Fluggesellschaften mit Sitz in der EU, ist noch nicht ausreichend geklärt. Mit einer solchen Vereinbarung wären Flüge zwischen EU und Großbritannien gesichert – britische Airlines dürften allerdings nicht innereuropäisch beispielsweise von München nach Mallorca fliegen. Kommt es jedoch zu einem EU-Austritt ohne Vertrag entfiele die vereinbarte Übergangsfrist, in der sich bis mindestens Ende 2020 nichts ändern soll. In dem Fall werden für die Zeit unmittelbar nach dem Austrittsdatum des 29. März 2019 schwere Verwerfungen befürchtet.

Ende Februar 1019 hat die EU für einen ungeregelten Brexit vorgesorgt:  So sollen britische Sicherheitszertifikate befristet weiter gelten. Auch für die Klärung der Eigentumsverhältnisse haben Fluggesellschaften mehr Zeit. Demnach haben Fluglinien, bei denen Anteilseigner aus der EU nach dem Brexit in der Minderheit sind, sechs Monate Zeit, ihre Gesellschafterstruktur anzupassen.

Fluggastrechte und Personen- und Gepäckschäden

Grundsätzlich gilt die EU-FluggastrechteVO für alle Flüge, die innerhalb der EU begonnen werden, gleichgültig ob die Airline ihren Sitz in der EU oder in einem Drittstaat hat. Sie gilt aber nur für EU-Airlines, die von einem Drittstaat einen Flughafen innerhalb der EU zum Ziel haben. Wer also von einem deutschen Flughafen aus nach Großbritannien fliegt, kann also auch weiterhin diese Fluggastrechte geltend machen, auch bei einem britischen Carrier. Fliegt man mit einer britischen Airline oder Iberia, die zu British Airways gehört, dagegen von London ab, dann kann man sich bei Nichtbeförderung, Annullierung oder Verspätung nicht mehr auf die EU-FluggastrechteVO berufen – es sei denn, Großbritannien hat diese EU-Bestimmungen bis dahin in englisches Recht umgewandelt. Wer von England mit Airlines von Drittstaaten  in die USA, nach Indien und Thailand fliegt, hat jedenfalls die EU-Fluggastrechte nicht mehr, wenn Flüge ausfallen oder stark verspätet sind. Obwohl die britische Regierung versichert hat, sie habe die EU-Fluggastrechte in britisches Recht übernommen, müsste ein betroffener Fluggast gegen eine zahlungsunwillige Airline dann vor britischen Gerichten klagen.

Sollte ein Koffer in London beschädigt werden oder verloren gehen oder ereignet sich ein Personenschaden, kommt jedoch weiterhin wie bisher das Montrealer Übereinkommen (MÜ) zu Anwendung, welches als internationales Übereinkommen von dem Brexit nicht berührt wird.

Pauschalreisen

Bei allen Pauschalflug- oder busreisen, also Reisekombinationen aus Beförderung und Unterkunft, muss differenziert werden, ob man bei einem britischen Reiseveranstalter oder einem Veranstalter mit Sitz in der EU gebucht hat. Wer bei einem EU-Veranstalter beispielsweise eine Busreise nach Cornwall gebucht hat, ist bei allen Reisemängeln über die EU-Pauschalreiserichtlinie und dem jeweiligen nationalen Umsetzungsgesetz abgesichert. Wenn dann das britische Busunternehmen oder das Hotel als Leistungserbringer eines deutschen Reiseveranstalters insolvent werden, greift die Insovenzsicherung des deutschen Reiseveranstalters (§§ 651r BGB) ein. Bei einem britischen Reiseveranstalter könnte es zu Problemen kommen, da die englische Insolvenzabsicherung zwar auf der bisher gemeinsamen EU-Pauschalreiserichtlinie beruht, die EU-Richtlinie bei einem harten Brexit nicht mehr gilt. Es ist jedoch davon auszugehen, dass das britische Umsetzungsgesetz der Pauschalreiserichtlinie durch London auch künftig angewendet wird, und damit auch Pauschalreisen rechtssicher sind, die bei einem britischen Veranstalter für Reisen nach England, Mallorca oder Teneriffa gebucht werden.

Zoll

Zölle werden bisher nicht erhoben, weil die EU auch ein Binnenmarkt für Zölle ist. Bislang gelten für Reisende aus der EU bei der Ein- und Ausreise aus Großbritannien für Waren des persönlichen Gebrauchs großzügige Freimengen Dazu zählen 800 Zigaretten, 110 Liter Bier, 90 Liter Wein, 10 Liter Spirituosen. Nach einem Bexit hat Großbritannien den Status eines Drittlandes. Das heißt für den Touristen, dass er bei der Einreise oder der Rückkehr statt 10 Liter Spirituosen nur noch einen Liter mitnehmen darf, statt 800 Zigaretten nur noch 200, vier statt 90 Liter Wein und insgesamt Waren im Wert von 390 Pfund. Ein kleiner Vorteil ergibt sich durch den zollfreien Einkauf in den Duty-Free-Läden.

Krankenversicherung

Die europäische Gesundheitskarte übernimmt in der EU die Kosten für die Krankenbehandlung im Ausland. Nach einem harten Brexit gilt dies nicht mehr Großbritannien. Eine Auslandskrankenversicherung kann diese Lücke schließen.

Roaming

Nach einem harten Brexit ist davon auszugehen, dass die alten Roaming-Gebühren des Anbieters wieder eingreifen, wenn man aus dem mobilen Netz telefoniert oder ins Netz geht. Derzeit fallen solche Gebühren etwa bei einem Handytelefonat von London nach Deutschland nicht an, weil sie innerhalb der EU abgeschafft wurden.

Führerschein

Der nationale Führerschein wird bisher in ganz Europa akzeptiert. Also ist davon auszugehen, dass ein internationaler Führerschein bei Fahrten in Großbritannien nicht notwendig sein wird.

Reisekosten

Eine Reise nach Großbritannien wird wahrscheinlich billiger werden. Wenn das Vereinigte Königreich die EU verlässt, dürfte das britische Pfund noch etwas weiter abwerten als dies nach dem Referendum schon der Fall war. So war Ende Mai 2016 ein Pfund noch fast 1,30 Euro wert, Mitte Januar 2018 nur noch 1,15 Euro.

 

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