Wer zeitweise in einem anderen als dem vertragsmäßig geschuldeten Hotelzimmer wegen Überbuchung des Hotels untergebracht wird, hat einen Anspruch auf Minderung des Reisepreises von 70 bis 100 % des Tagespreises und auf angemessene Entschädigung der Urlaubszeit. 

BGH, 21. November 2017 – X ZR 111/16

Zum Sachverhalt

Die Kläger begehren von dem beklagten Reiseveranstalter Minderung des Reisepreises nach § 651d I BGB sowie eine Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit nach § 651f II BGB.

Die Kläger buchten im März 2015 eine Reise nach Antalya. Nach dem Reisevertrag sollten sie in einem bestimmten Hotel in einem Zimmer mit Meerblick oder seitlichem Meerblick wohnen. Wegen einer Überbuchung wurden sie jedoch für drei Tage in einem anderen Hotel untergebracht. Das Zimmer in diesem Hotel bot keinen Meerblick und wies schwerwiegende Hygienemängel auf.

Das Amtsgericht hat der Klage hinsichtlich einer Minderung des Reisepreises in Höhe von 605,19 Euro stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das Landgericht den Klägern eine weitere Minderung in Höhe von 371,36 Euro zugesprochen; die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.

Mit den vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen begehren die Kläger weiterhin die ihnen von den Vorinstanzen versagte Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit in Höhe von mindestens 1.250 Euro und die Beklagte eine Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils, soweit sie mit dem Berufungsurteil zu mehr als insgesamt 894,02 Euro verurteilt worden ist.

Die Entscheidung des BGH

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Sie wendet sich ohne Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht bereits in der Unterbringung der Kläger in einem Hotel ähnlichen Standards und ähnlicher Ausstattung, das jedoch nicht das von den Klägern gebuchte war, einen Mangel gesehen hat, der für die betreffenden Urlaubstage zu einer Verringerung des geschuldeten Reisepreises um 10 % führt. Der Wert der vom Reiseveranstalter tatsächlich erbrachten Leistung entsprach nämlich nicht dem Wert der gebuchten. Wie etwa „Fortuna-Reisen“ zeigen, bei denen der Reiseveranstalter Einzelheiten der Reise wie das Hotel nachträglich bestimmen darf, zahlt der Reisende, dem vertraglich ein bestimmtes Hotel versprochen wird, einen Teil des Reisepreises auch dafür, dass er diese Auswahl nach seinen persönlichen Vorlieben selbst trifft und gerade nicht dem Reiseveranstalter überlässt.

Die Revision der Kläger, mit der sie sich dagegen wenden, dass ihnen die Vorinstanzen eine Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit versagt haben, ist hingegen begründet. Der BGH hebt insoweit das Berufungsurteil auf und spricht den Klägern eine Entschädigung in Höhe von 600 Euro zu. Das Berufungsgericht hat zwar im Ausgangspunkt zutreffend angenommen, dass der Anspruch auf eine angemessene Entschädigung nach § 651f II BGB voraussetzt, dass nicht nur einzelne Reiseleistungen oder einzelne Reisetage, sondern die Reise insgesamt vereitelt oder erheblich beeinträchtigt worden ist. Ob dies der Fall ist, hängt aber nicht davon ab, ob die Minderung des Reisepreises wegen Mängeln einzelner Reiseleistungen einen bestimmten Mindestprozentsatz des gesamten Reisepreises übersteigt.

Im Streitfall hat das Berufungsgericht eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise zu Unrecht verneint. Es hat angenommen, dass die ersten drei von zehn Urlaubstagen ihren Zweck weitgehend nicht erfüllen konnten, weil die schwerwiegenden hygienischen Mängel des den Klägern zunächst zur Verfügung gestellten Hotelzimmers den Aufenthalt in diesem „schlechthin unzumutbar“ gemacht haben und der Tag des Umzugs in das gebuchte Hotel im Wesentlichen nicht zur Erholung dienen konnte; es hat den anteiligen Reisepreis für diese Tage deshalb als um 70 bzw. 100 % gemindert angesehen. Auch wenn die verbleibenden Tage von den Klägern uneingeschränkt für den Strandurlaub genutzt werden konnten, wird bei einer derart weitgehenden Entwertung eines Teils der nach Wochen oder Tagen bemessenen Urlaubszeit diese teilweise „nutzlos aufgewendet“ und damit auch die Reise insgesamt erheblich beeinträchtigt.

Pressemitteilung des BGH Nr. 184 v. 21.11.2017

Anm.: Ich stimme dieser Entscheidung zu, auch wenn die Urteilsgründe noch nicht schriftlich vorliegen. Das Urteil entspricht meiner Auffassung in meinem Handbuch Führich, Reiserecht, 7. Auflage, 2015, § 11 Rn. 55:

cc) Mängel bei Teil der Reise. (1) Ist die Reise zeitlich teilweise beeinträchtigt, ist nur eine Quote des Anspruchs nach § 651f II zu gewähren[1]. Dies ist der Fall, wenn die erhebliche Beeinträchtigung lediglich während eines Teils der Reise vorliegt wie bei einer zweiteiligen Reiseleistung mit Segeltörn und Hotelaufenthalt[2] oder bei einem Wegfall einzelner ,,Highlights” einer Kreuzfahrt[3]. Auch dann ist die Entschädigung auf der Grundlage des jeweils mangelbehafteten Zeitraums zu berechnen und nicht die Minderung des Gesamtreisepreises von 50 % (jetzt wohl 30 %) zu Grunde zu legen[4]. Auch beim Auftreten mehrerer, zeitlich auseinander liegender Mängel (z.B. während Rundreise) ist auf die einzelnen Reisetage abzustellen, welche diesen Minderungssatz aufzuweisen haben[5]. Die Minderungsquote von 30 % bezieht sich somit auf den einzelnen Tag der Reise und nicht auf die Gesamtreise. Ist der betroffene Tag nur teilweise beeinträchtigt, muss dies bei der Entschädigungshöhe mit der prozentualen Quote von 30 % bis 100 % berücksichtigt werden.

Beispiel: Ist der Urlaubstag um 60 % vertan, ist die Entschädigung nach diesem Prozentsatz zu gewähren.

(2) Das LG Frankfurt a.M.[6] forderte früher als Toleranzgrenze eine Mindestzahl von drei Tagen, hat diese Rechtsprechung jedoch aufgegeben. Diese letztere Einschränkung überzeugt nicht, da nach § 651f II jeder Reisetag einen Wert darstellt[7].

[1] Vgl. AG Viersen, 14.12.2010, 33 C 223/10, BeckRS 2012, 05642 = RRa 2012, 15; Tonner, § 651f Rn. 46; MK/Tonner, § 651f Rn. 49; Isermann, S. 138.

[2] LG Hannover NJW-RR 1999, 1004.

[3] OLG Köln NJW-RR 2008, 1588 = RRa 2008, 222, 224 (Von der Arktis zur Antarktis).

[4] OLG Frankfurt a.M. NJW-RR 1988, 632; NJW-RR 1995, 1462; LG Hannover NJW-RR 1989, 633; NJW-RR 1990, 1019; AG Hamburg-Blankenese RRa 2002, 224.

[5] OLG Hamm NJW-RR 2010, 258, 259; OLG Frankfurt a.M. NJW-RR 1998, 632; NJW-RR 1995, 1642; OLG Düsseldorf NJW-RR 2001, 50, zustimmend Tempel NJW 1999, 2012; LG Frankfurt a.M. NJW-RR 1991, 378; LG Hannover NJW-RR 1989, 633; NJW-RR 1990, 1019; LG Hannover NJW-RR 1999, 1004; AG Kleve RRa 1998, 177 = NJW-RR 1999, 489; AG Viersen, 14.12.2010, 33 C 223/10, BeckRS 2012, 05642 = RRa 2012, 15; Palandt/Sprau § 651f Rn. 6; a.A OLG Köln NJW-RR 2000, 1439 (Gesamtwert der Reise 50 %); LG Düsseldorf RRa 2000, 151 (50 % der Gesamtreise); AG Hamburg-Blankenese RRa 2002, 224.

[6] NJW-RR 1986, 1440.

[7] Krit. Teichmann, JZ 1993, 990, 994; krit. auch Seyderhelm, § 651f Rn. 35.