Zahlreiche Portale helfen Passagieren dabei, bei Airlines Entschädigungen gemäß der EU-Fluggastrechte einzutreiben. Doch nun sieht die Kommission Fehlentwicklungen – und reagiert deutlich. 

von Tobias Pusch, 24.03.2017, fvw

Seit 2004 stehen Airline-Kunden Entschädigungen gemäß der EU-Flugastrechte-Verordnung zu. Je nach Strecke und Verspätungsdauer können bis zu 600 Euro pro Kopf geltend gemacht werden. Weil sich in der Vergangenheit aber viele Fluggesellschaften gegen die Auszahlung der Ansprüche zur Wehr setzten, entstanden nach und nach zahlreiche Portale, die den Passagieren in diesen Fällen Rechtsbeistand anboten – gegen eine entsprechende Provision.

Nun sieht sich die EU aber offenbar dazu genötigt, in diesem Bereich einige Dinge klarzustellen. Der Kommission sei nämlich „zur Kenntnis gelangt, dass einigen Agenturen für Fluggast-Entschädigungen ein nicht korrektes Vorgehen und Fehlverhalten vorgeworfen wird“, heißt es in einem Dokument mit dem sperrigen Namen „Bekanntmachung zur Information über das auf Tätigkeiten von Agenturen für Fluggast-Entschädigungen anzuwendende einschlägige Verbraucherschutz-, Vermarktungs- und Datenschutzrecht der EU im Zusammenhang mit der Verordnung Nr. 261/2004 über Fluggastrechte“.

Konkret sieht die EU-Kommission vier Punkte, bei denen manche der Portale unsauber handeln würden:

Mauscheleien bei der Preisauszeichnung: Die Beamten bemängeln eine intransparente Auszeichnung der für den Kunden anfallenden Kosten. Hintergrund ist, dass einige der Portale die Höhe ihrer Provision ohne Mehrwertsteuer angeben – beziehungsweise diese Angabe schlecht lesbar verstecken. Andere verlangen im Kleingedruckten eine zusätzliche Provision, falls ein Fall erst vor Gericht geklärt werden kann. „Verstöße gegen diese Bestimmungen können nach EU-Recht als unlauter erachtet werden, falls die Praktiken geeignet sind, den Durchschnittsverbraucher zu einer Transaktion zu veranlassen, die er andernfalls nicht getätigt hätte“, so die Kommission.
Gefälschte oder unzureichende Vollmachten: Mit der Vollmacht weisen die Portale nach, dass sie den entsprechenden Kunden vertreten dürfen. Szene-Insider behaupten, dass es in der Vergangenheit auch Versuche gegeben habe, einen Anspruch durchzusetzen, ohne dass der entsprechende Passagier davon gewusst habe. Das würde bedeuten, dass entsprechende Unterschriften gefälscht worden seien. „Auf Verlangen sollte eine unterzeichnete Vollmacht zusammen mit einer Kopie des Personalausweises oder Reisepasses (zur Überprüfung der Unterschrift) von den Agenturen für Fluggast-Entschädigungen vorgelegt werden“, heißt es in dem EU-Dokument.
Illegales Marketing: Einige der Portale überschreiten bei der Akquise neuer Kunden offenbar die gesetzlichen Grenzen. Unter Verweis auf Anhang 1 der Richtlinie über unzulässige Geschäftspraktiken wird angemerkt: „Insbesondere Nr. 26 verbietet hartnäckiges und unerwünschtes Ansprechen über Telefon, Fax, E-Mail oder sonstige für den Fernabsatz geeignete Medien.“
Mangelnder Datenschutz: Dieser Bereich dürfte die Basis für die meisten der oben genannten verbotenen Marketing-Methoden sein. Konkret geht es um die Frage, ob die Portale Passagierdaten von Dritten erhalten. „Flugschein-Verkäufer, Reiseveranstalter, Reisevermittler (einschließlich Online-Reisebüros) und Dritte, die Zugang zu Fluggastdaten haben, ohne Vertragspartei des Beförderungsvertrags zu sein, sollten keine personenbezogenen Daten an eine Agentur für Fluggast-Entschädigungen übermitteln, es sei denn, die Weitergabe der Daten ist nach anwendbarem Recht zulässig oder der betreffende Fluggast stimmt ihr ausdrücklich zu“, heißt es bei der EU-Kommission.
Das Schreiben ermutigt Fluggäste darüber hinaus dazu, im Falle von Entschädigungsforderungen zunächst „das ausführende Luftfahrtunternehmen zu kontaktieren, bevor sie andere Mittel zur Geltendmachung ihrer Rechte in Erwägung ziehen“. Für die Branche der Flugportale ist vor allem dieser Passus ein klarer Hinweis darauf, aus welcher Richtung der Wind weht: „Dieses Papier hat sicherlich die Airline-Lobby auf den Weg gebracht“, heißt es dort.