Verlangt der Reisende, dass statt seiner ein Dritter in die Rechte und Pflichten aus dem Reisevertrag eintritt, gehören zu den dem Reiseveranstalter zu erstattenden Mehrkosten auch diejenigen Kosten, die sich daraus ergeben, dass der Luftbeförderungsvertrag, den der Reiseveranstalter vertragsgemäß für den Reisenden abgeschlossen hat, nicht auf einen Dritten übertragbar ist, so dass der Reiseveranstalter zur Erfüllung der Verpflichtung zur Luftbeförderung einen neuen Vertrag zu einem höheren Preis mit dem Luftverkehrsunternehmen abschließen muss, dessen er sich zur Erfüllung seiner Beförderungsverpflichtung bedient.

BGH, Urteil vom 27.09.2016 – X ZR 107/15 (LG München I), BeckRS 2016, 18901 = NJW 2017, 257

Anmerkung von Prof. Dr. Ernst Führich

1. Problembeschreibung

Die Entscheidung des Reisesenats des BGH hat in der Presse und im Verbraucherschutz hohe Wellen geschlagen und ist dort auf Unverständnis gestoßen. Die Parteien streiten um die Frage, ob der Reiseveranstalter bei Eintritt eines Dritten in den Reisevertrag nach § 651b BGB den Reisenden mit denjenigen Mehrkosten belasten darf, die sich daraus ergeben, dass die Tarifbedingungen der Luftverkehrsunternehmen typischerweise nach bestätigter Buchung keinen Wechsel in der Person des Fluggastes („name change“) zulassen und deshalb eine neue Flugbuchung erfordern. Einfach ausgedrückt: Wenn ein Reisender eine Pauschalreise bucht und nicht antreten kann, darf er zwar nach § 651b BGB einen Ersatzreisenden benennen. Dieses Recht kann der Reiseveranstalter wegen des halbzwingenden Reisevertragsrechts (§ 651 m BGB) zwar nicht ausschließen – nach der neuen BGH-Entscheidung aber durch extreme Mehrkosten unterlaufen.

In den beiden Reisen, welche dem BGH zur Entscheidung vorlagen sollten die Mehrkosten der Linienflüge so hoch ausfallen, dass ein Passagierwechsel wirtschaftlich kaum einen Sinn ergeben hätte: Eine Reise nach Dubai sollte um knapp 1500 Euro teurer werden, eine nach Thailand um 3300. Diese hohen Kosten ergeben sich, weil Reiseveranstalter bei ihren Flugreisepaketen oft Linienflüge kombinieren, die zur Zeit der Buchung zwar sehr günstig sind, bei denen die Airlines aber keinen Namens- bzw. Personenwechsel zulassen. Reiseveranstalter, die auf Basis tagesaktueller Preise solche günstigen, aber unflexiblen Pakete schnüren, nennen sich „X-Reiseveranstalter“. Das Reisevertragsrecht der §§ 651a ff. BGB kennt jedoch nur den Begriff des Reiseveranstalters und differenziert nicht zwischen Standardreisen und dynamisierten Reisepaketen.

Will der Reisende eines solchen X-Reiseveranstalters von seinem Recht nach § 651b BGB Gebrauch machen, muss der Reiseveranstalter daher auf neue Linienflüge zurückgreifen. Im Rahmen des so genannten Ertragsmanagements der Airlines werden die Flugkapazitäten täglich dynamisch ausgerichtet und an die Nachfrage angepasst. Dieses Preissystem macht langfristige Buchungen günstig, Spontanität und Flexibilität hingegen teuer. Je näher der Urlaub, umso mehr kostet der neue Flug. Hätte der BGH entschieden, dass die X-Reiseveranstalter die hohen Mehrkosten des neuen Flugeinkaufs bei kurzfristiger Benennung eines Ersatzreisenden nicht auf ihre Kunden abwälzen dürfen, hätten die Reiseveranstalter ihrerseits neue Konditionen mit den Airlines aushandeln müssen, um in Zukunft nicht auf den Mehrkosten sitzen zu bleiben. So tief wollte der X. Senat aber offenbar nicht in den Reisemarkt eingreifen. Dies hätte er jedoch dem EuGH überlassen können.

2. Rechtliche Wertung

Der BGH lehnt mit einer formelhaften Begründung die Vorlage an den EuGH ab. Dieser Auffassung muss deutlich widersprochen werden. Die aus der alten EU-Pauschalreiserichtlinie 90/314/EWG (PRL) stammende Vorschrift des Art. 4 III, will im Interesse der Reisenden eine Möglichkeit schaffen, sich bei längerfristigen Buchungen vom Reisevertrag lösen zu können, ohne hohe Stornokosten in Kauf nehmen zu müssen. Der frühere Reisende und der Ersatzreisende müssen aber nach Art. 4 III 2 als Gesamtschuldner die „durch diese Übertragung entstehenden Mehrkosten“ übernehmen. Dementsprechend spricht § 651b II BGB von den „durch den Eintritt des Dritten entstehenden Mehrkosten“.

Die Europäische Kommission hat 1999 in den ihren Anmerkungen zur Durchführung der Pauschalreiserichtlinie ausdrücklich davon gesprochen, dass eine „gebuchte Pauschalreise übertragbar sein muss“ (SEK (1999) 1800 final; vgl. Führich, Reiserecht, 7. Aufl. 2015, § 3 Rn. 4). Vertragliche Vereinbarungen zwischen Reiseveranstaltern und dem ihren Leistungsträgern der Luftfahrt reichen nicht aus, um ein Widerspruchsrecht gegen eine Vertragsübertragung auf einen Ersatzreisenden iSd § 651b BGB zu begründen (vgl. BT-Drs. 8/786, 8). Die vorliegend im Streit stehenden Preisveränderungen sind Aufwendungen, die letztlich auf Vereinbarungen des Reiseveranstalters mit ihren Linienfluggesellschaften beruhen. Diese ergeben sich nicht aus den mit dem Eintritt des Dritten verbundenen objektiven Gegebenheiten, sondern aus der jeweiligen Vertragsgestaltung des Veranstalters mit seiner Airline. Die Mehrkostenerstattungspflicht des § 651b II BGB ist aber an objektiven Kostenkriterien bzw. an einer objektiv nachvollziehbaren Kausalität zwischen Vertragsübertragung und Mehrkosten zu orientieren. Ansonsten wären die Mehrkosten völlig vom Zufall bzw. von der jeweiligen Vertragsgestaltung des Reiseveranstalters mit seinen Leistungsträgern abhängig.

Hieraus ist zu entnehmen, dass es keine Reisen iSv Art. 2 Nr. 1 PRL geben kann, die als dynamisiertes Reisepaket Vereinbarungen zwischen Reiseveranstaltern und Linienflugunternehmen vorsehen, die dazu führen, dass die Pauschalflugreise wirtschaftlich unübertragbar ist, weil sie Ansprüche quasi als „höchstpersönlich“ ansehen. Da alle europäischen Fluggesellschaften ähnliche Klauseln in ihren Vereinbarungen mit den Reiseveranstaltern verwenden, hätte der BGH alle Veranlassung gehabt, eine Entscheidung des EuGH einzuholen.

Nicht nur die Verbraucherschutzverbände, sondern die meisten namhaften Reiserechtler sind mit mir der Meinung, dass das nicht abdingbare Übertragungsrecht unterlaufen wird, wenn die Mehrkosten so hoch ausfallen, dass vernünftigerweise kein Kunde von dem Recht Gebrauch machen wird (vgl. nur Staudinger in/Staudinger, BGB, 2016, § 651b Rn. 13, 27). Auch die X-Reiseveranstalter müssen ihre Angebote so schnüren, dass sie die Rechte des Reisenden des zwingenden § 651b BGB erfüllen können. Ebenso wie alle anderen Arten von Reiseveranstaltern dürfen sie nur solche Mehrkosten verlangen, die zur Übertragung der gebuchten Reise auf einen Ersatzreisenden „erforderlich“ sind. Das erfasst nur die tatsächlich entstandenen und genau bestimmbaren Merkosten, die kausal auf den Passagierwechsel zurückgeführt werden können. Hierzu zählen Umbuchungskosten, die Ausstellung einer neuen Reisebestätigung und Flugscheine, die eigenen Bürokosten, nicht aber ein Gewinn und Mehrkosten des dynamischen Ertragsmanagements zur Preis- und Kapazitätssteuerung der Flüge an die geänderte Nachfrage. Der Senat hatte nicht den Mut, den Reiseveranstaltern indirekt vorzuschreiben, dass ein Personenwechsel nicht mehr als zB 20 oder 30 Euro kosten darf und dass es Sache der Reiseveranstalter ist, dies gegenüber den Airlines durchzusetzen.

3. Praktische Folgen

Es ist zu hoffen, dass der deutsche Gesetzgeber bei der gerade anstehenden Umsetzung der neuen Pauschalreiserichtlinie 2015/2302/(EU) das Recht zur Übertragung des Pauschalreisevertrags gem. Art. 9 der Richtlinie in seinem Regierungsentwurf des 3. Reiserechtsänderungsgesetzes in § 651e III BGB-E mit dem Begriff der „Verwaltungskosten“ präzisiert (vgl. auch Führich, Umsetzung der neuen EU-Pauschalreiserichtlinie – Kritische Anmerkungen, RRa 2016, 210). Nach Art. 9 II 3 der neuen Richtlinie dürfen diese Kosten nicht unangemessen sein und die tatsächlichen Kosten des Reiseveranstalters in Folge der Übertragung des Pauschalreisevertrags nicht übersteigen. Bei einem der beiden vom BGH entschiedenen Fälle sollte der Urlauber für seine Reise nach Dubai bei einem Reisepreis von 1398 Euro knapp 1500 Euro zusätzlich zahlen, im anderen Fall beliefen sich die Mehrkosten für eine Reise nach Thailand bei einem Gesamtreisepreis von 2470 Euro auf ca. 3300 Euro. Man darf gespannt sein, ob die Gerichte solche Forderungen auch nach Inkrafttreten des reformierten Pauschalreiserechts als „angemessen“ einstufen werden.

Professor Dr. Ernst Führich ist Richter a.D. und Prof. a.D. für Bürgerliches Rechts, Handels- und Gesellschaftsrecht und Reiserecht an der Hochschule Kempten.

Zitiervorschlag:
BGH Urt. v. 16.12.2016 – X ZR 107/15, LMK 2016, 384646