Die Pauschalreiserichtlinie 90/314/EWG ist, soweit er in Bezug auf die Haftung des Veranstalters einer Pauschalreise für die ordnungsgemäße Erfüllung der Verpflichtungen aus einem von der Richtlinie erfassten Pauschalreisevertrag zwischen diesem Veranstalter und einem Verbraucher einen Befreiungsgrund vorsieht, dahin auszulegen, dass im Fall einer Nichterfüllung oder mangelhaften Erfüllung dieser Verpflichtungen, die sich aus den Handlungen eines Angestellten eines den Vertrag erfüllenden Dienstleistungsträgers ergibt, der Angestellte für die Zwecke der Anwendung dieser Bestimmung nicht als ein Dienstleistungsträger angesehen werden kann und der Veranstalter sich nicht in Anwendung dieser Bestimmung von seiner Haftung für die Nichterfüllung oder mangelhafte Erfüllung befreien kann.

EuGH, 18.3.2021, C-578/19 – Kuoni

Das Urteil des EuGH erging im Rahmen einer Vorlage durch den englischen Supreme Court United Kingdom (Oberster Gerichtshof des Vereinigten Königreichs) über die Auslegung eines Pauschalreisevertrags zwischen X, einer Verbraucherin mit Wohnsitz im Vereinigten Königreich, und der Kuoni Travel Ltd einem Reiseveranstalter mit Sitz im Vereinigten Königreich, wegen des Entschädigungsantrags, den X aufgrund mangelhafter Erfüllung des zwischen ihr und Kuoni geschlossenen Pauschalreisevertrags  gestellt hat.

X und ihr Ehegatte schlossen mit Kuoni einen Pauschalreisevertrag, durch den sich Kuoni verpflichtete, ihnen eine Pauschalreise nach Sri Lanka bereitzustellen, die Hin- und Rückflüge vom Vereinigten Königreich sowie einen All-inclusive-Aufenthalt in einem Hotel von 15 Nächten in der Zeit vom 8. bis 23.7.2010 umfasste. Ein Hotelangestellter in Hoteluniform zeigte der Ehefrau den Weg zur Rezeption und vergewaltigte sie in einem Raum.

Der EuGH beantwortete die Vorlagefragen, dass Art. 5 II dritter Gedankenstrich RL 90/314 dahin auszulegen ist, dass im Fall einer Nichterfüllung oder mangelhaften Erfüllung dieser Verpflichtungen, die sich aus den Handlungen eines Angestellten eines den Vertrag erfüllenden Dienstleistungsträgers ergibt,

  • der Angestellte für die Zwecke der Anwendung dieser Bestimmung nicht als ein Dienstleistungsträger, sondern als Mitarbeiter des Hotels angesehen werden kann und

  • der Veranstalter sich nicht in Anwendung dieser Bestimmung von seiner Haftung für die Nichterfüllung oder mangelhafte Erfüllung des Hotels als seinem Leistungserbringer befreien kann.

Anm.: Der EuGH hatte die frühere Pauschalreiserichtlinie auszulegen. In einfachen Worten gesagt: die vorsätzliche Verletzung der Reisenden durch den Hotelangestellten auf dem Weg zur Rezeption ist eine Pflichtverletzung des Reisevertrages und damit ein Reisemangel. Die Reisende kann eine Preisminderung verlangen. Schadenersatz wie ein Schmerzensgeld kann sie nicht geltend machen, da der Reisemangel nicht durch den Veranstalter verschuldet ist. (Führich)