Nach der Insolvenz von Germania und den rechtlich nicht wirksamen Kündigungen der Pauschalflugreisen durch manche Veranstalter, wird wieder diskutiert, ob dem Reisevermittler eine Provision für vermittelte Reisen zusteht. Das Reisebüro behält nach § 87a HGB seinen Provisionsanspruch, wenn der Flug aus Gründen nicht angetreten wird, welche die Airline zu vertreten hat. Vertretenmüssen bedeutet nicht nur Verschulden , sondern auch ein Einstehen für ihr zurechenbare Risiken des Unternehmerrisikos. Dazu gehört auch eine Insolvenz der Airline, wenn der Flug deswegen abgesagt wird. Dies ist die Rechtsauffassung von Prof. Führich, die von den meisten Reiserechtlern geteilt wird.
§ 87a HGB
(1) Der Handelsvertreter hat Anspruch auf Provision, sobald und soweit der Unternehmer das Geschäft ausgeführt hat. Eine abweichende Vereinbarung kann getroffen werden, jedoch hat der Handelsvertreter mit der Ausführung des Geschäfts durch den Unternehmer Anspruch auf einen angemessenen Vorschuß, der spätestens am letzten Tag des folgenden Monats fällig ist. Unabhängig von einer Vereinbarung hat jedoch der Handelsvertreter Anspruch auf Provision, sobald und soweit der Dritte das Geschäft ausgeführt hat.
(2) Steht fest, daß der Dritte nicht leistet, so entfällt der Anspruch auf Provision; bereits empfangene Beträge sind zurückzugewähren.
(3) Der Handelsvertreter hat auch dann einen Anspruch auf Provision, wenn feststeht, daß der Unternehmer das Geschäft ganz oder teilweise nicht oder nicht so ausführt, wie es abgeschlossen worden ist. Der Anspruch entfällt im Falle der Nichtausführung, wenn und soweit diese auf Umständen beruht, die vom Unternehmer nicht zu vertreten sind.
(4) Der Anspruch auf Provision wird am letzten Tag des Monats fällig, in dem nach § 87c Abs. 1 über den Anspruch abzurechnen ist.
(5) Von Absatz 2 erster Halbsatz, Absätze 3 und 4 abweichende, für den Handelsvertreter nachteilige Vereinbarungen sind unwirksam.
Im Ergebnis ist festzuhalten:
1. Damit ist erst einmal klar, dass alle Agenturverträge, welche den Absätzen 2 und 3 widersprechen, rechtlich unwirksam sind! Ausgangspunkt ist der Grundsatz der Erfolgsvergütung: eine Provision wird grundsätzlich nur bei Ausführung der Reise fällig.
2. Keine Provision wird gezahlt, wenn ein Fall des Abs. 3 Satz 2 HGB vorliegt: Der Anspruch entfällt im Falle der Nichtausführung, wenn und soweit diese auf Umständen beruht, die vom Unternehmer nicht zu vertreten sind. Ein Nichtvertretenmüssen des Unternehmers (Reiseveranstalter, Airline) liegt dann vor, wenn die Nichtdurchführung der Reise nicht in seinem Verantwortungsbereich liegt. Beispiele für ein Nichtvertretenmüssen des RV wären:
- Nichterreichen einer ausgeschriebenen Mindestteilnehmerzahl ist Risiko des Kunden und liegt nicht in der Risikosphäre des RV, so dass die Provision entfällt (AG Ludwigsburg RRa 1999, 197, Führich, ReiseR, § 27 Rn. 15).
- Nichtdurchführung der Reise wegen Kündigung bei höherer Gewalt wie Katastrophe, Krieg, Streik.
3. Umgekehrt behält das Reisebüro seinen Provisionsanspruch, wenn die Reise aus Gründen nicht angetreten wird, die der Veranstalter (Unternehmer) zu vertreten hat. Vertretenmüssen bedeutet nicht nur Verschulden (§§ 276, 278 BGB), sondern auch Einstehen für ihm zurechenbare Risiken wie folgende Fälle des Unternehmerrisikos:
- sein Hotel ist überbucht und der Reisende kündigt deswegen den Reisevertrag,
- der Reisende tritt berechtigt vom Reisevertrag zurück, wegen einer ihm unzumutbaren Reiseänderung (Reisemangel),
- Schwierigkeiten im eigenen Betrieb des Veranstalters mit Ausfall der Reise,
- Flug entfällt wegen Insolvenz der Airline,
- Reise entfällt wegen Insolvenz des Reiseveranstalters.
Wichtig ist, dass diese Regelung zwingend ist. Das folgt aus Abs 5. § 87a Abs. 3 HGB ist nicht durch einen Handelsvertretervertrag abänderbar. Eine solche abändernde Klausel würde § 307 BGB widersprechen, da sie § 87a Abs. 5 HGB nicht berücksichtigt. Der wirtschaftlichen unterlegene Handelsvertreter ist damit vor dem Geschäftsherrn geschützt.
Beitrag in der FVW vom 20.2.2019
Reiserechtler stützt Vertrieb bei Provision nach Germania-Aus
Ernst Führich ist Professor für Reiserecht und unter anderem Verfasser des Standardwerkes Reiserecht.
Schützenhilfe für Reisebüros: Im Zuge der Germania-Insolvenz kündigten Veranstalter offenbar Reiseverträge mit ihren Kunden – der renommierte Reiserechtler Professor Ernst Führich kommt zu dem Schluss, dass Agenturen dennoch ihre Provision zusteht.
Das schreibt der Reiserechtsexperte auf seiner Website. In seiner Stellungnahme kommt Führich zunächst zu dem Schluss, dass die Kündigungen der Veranstalter rechtlich nicht wirksam seien. Weiter heißt es, die Agentur behalte nach Paragraph 87a Handelsgesetzbuch in solchen Fällen dennoch ihren Provisionsanspruch. Dies sei eine Meinung, „die von den meisten Reiserechtlern geteilt wird“, schreibt der Juraprofessor.
Konkret bezieht sich Führich in seiner Stellungnahme unter anderem auf Paragraph 87a, Absatz 3, in dem es heißt: „Der Handelsvertreter hat auch dann einen Anspruch auf Provision, wenn feststeht, daß der Unternehmer das Geschäft ganz oder teilweise nicht oder nicht so ausführt, wie es abgeschlossen worden ist. Der Anspruch entfällt im Falle der Nichtausführung, wenn und soweit diese auf Umständen beruht, die vom Unternehmer nicht zu vertreten sind.“
Nicht zu vertreten habe ein Unternehmer beispielsweise Fälle wie Katastrophen, Krieg oder Streik. „Umgekehrt behält das Reisebüro seinen Provisionsanspruch, wenn die Reise aus Gründen nicht angetreten wird, die der Veranstalter (Unternehmer) zu vertreten hat“, so der Reiserechtler. Ein solcher Fall liege zweifellos vor, wenn ein Flug wegen der Insolvenz der Airline entfalle.
Im Zuge der Germania-Insolvenz hatte es Klagen von Reisebüro-Seite gegeben, dass Veranstalter Reiseverträge mit ihren Kunden aktiv kündigen. Das betrifft offenbar vor allem kurzfristige Buchungen, bei denen Veranstalter keine Ersatzbeförderungen organisieren konnten. Reiseverkäufer fragen sich daher, ob ihnen dennoch eine Provision für die erledigte Arbeit zusteht.
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