Wer als Reiseveranstalter extern organisierte Ausflüge in einer eigenen Mappe anbietet, kann sich im Falle eines Unfalls nicht durch eine Vermittlerklausel der Haftung entziehen. Ernst Führich erläutert die aktuelle Rechtsprechung des BGH.
Eigentlich ist das Gesetz klar und eindeutig. Trotzdem musste der Bundesgerichtshof (BGH) am Dienstag wieder einmal bei einem Ausflug verletzte Urlauber einer Pauschalreise aus der Vermittlerfalle befreien (Urt. v. 12.01.2016, Az. X ZR 4/15). Nach § 651a II Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bleibt eine solche Vermittlerklausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) „unberücksichtigt, wenn nach den sonstigen Umständen der Anschein begründet wird, dass der Erklärende die vertraglich vorgesehenen Leistungen in eigener Verantwortung erbringt“. Dies ergibt sich seit über 30 Jahren aus dem Reisevertragsrecht des BGB.
Durch zahllose klarstellende Urteile der Oberlandesgerichte und des BGH selbst sind die Normen einheitlich so ausgelegt worden, dass es zwingend untersagt ist, sich bei zusätzlich während der Reise gebuchten Ausflügen formularmäßig einer Vermittlerklausel zu bedienen, wenn sich aus den objektiven Umständen im Gegensatz dazu der Anschein ergibt, dass der Reiseveranstalter den Ausflug eines Drittanbieters in eigener Verantwortung erbringt.
Gleichwohl versuchen viele Reiseveranstalter in der Praxis durch eine Flucht in die Vermittlerstellung der Haftung für ihre Leistungsträger zu entgehen. Das ist gerade dann der Fall, wenn das externe Ausflugsangebot ernste Risiken birgt, so wie das bei Safarireisen, Bootsausflügen, Wasserskikursen oder generell Outdoor-Aktivitäten sein kann. Generell gilt deshalb: Ist der anbietende Subunternehmer vertraglich gegenüber dem Reiseveranstalter verpflichtet, dem Kunden diese Zusatzangebote zu erbringen, ist der Subunternehmer als Erfüllungsgehilfe des Veranstalters anzusehen.
Reiseveranstalter versuchen zu tricksen
Dann haftet der Veranstalter für alle Pflichtwidrigkeiten so, als ob er selbst den Ausflug veranstaltet hätte. Das kann mitunter sehr teuer werden, wie der aktuelle Fall vor dem BGH zeigt. Ist der Veranstalter hingegen nur Vermittler, ist er fein heraus, da er dann nur für Fehler bei der Buchung des Kunden haftet. So hat der Urlauber neben dem Reisevertrag dann noch einen vermittelten Werkvertrag mit dem Drittanbieter nach dessen ausländischer Rechtsordnung geschlossen und muss eventuelle Unfallfolgen am Urlaubsort gerichtlich durchsetzen. Liegt dagegen eine Eigenleistung des Veranstalters vor, ist der Gerichtsstand an dessen Sitz maßgeblich.
Was war nun im aktuellen Fall speziell geschehen? Die Kläger machten gegen den Reiseveranstalter Alltours ein Schmerzensgeld von über 80 000 Euro geltend, nachdem sie sich bei einem Unfall auf einer Ausflugsfahrt am Urlaubsort verletzten. Dort erhielt das Ehepaar auch von der Beklagten eine Begrüßungsmappe mit einem Blatt, auf dem unter dem Alltours-Logo und der Überschrift „Ihr Ausflugsprogramm“ verschiedene Veranstaltungen, unter anderem eine „Berg und Tal: Geländewagen-Tour“, angeboten wurden. Unter der Auflistung wurde darauf hingewiesen, dass die Beklagte lediglich als Vermittler für die von der örtlichen Ausflugsagentur organisierten Ausflüge fungiere und die Ausflüge auch per SMS oder per E-Mail an eine bulgarischen Mailadresse reserviert werden könnten, gefolgt von der fettgedruckten Aufforderung „Reservieren Sie bei Ihrer Reiseleitung!“. Die Kläger buchten sodann die auch als „Jeep-Safari“ angebotene Geländewagentour beim Reiseleiter der Beklagten, auf der sie sich später verletzten.
Knackpunkt: Buchung bei „Reiseleitung“
Die Vorinstanzen waren der Auffassung, dass Alltours den Ausflug nicht in eigener Verantwortung veranstaltet, sondern die Tour nur vermittelt habe. Der Hinweis auf die Vermittlerrolle der Beklagten, dazu verbunden mit der Buchungsmöglichkeit mittels einer bulgarischen Mailadresse, sei für einen objektiv urteilenden Reisenden Anzeichen genug, den Zusatzausflug als Fremdleistung zu erkennen.
Zu Recht folgte der für das Reiserecht zuständige X. Zivilsenat des BGH nicht dieser Auffassung. Für die Frage, ob das Reiseunternehmen nur als Vermittler tätig wird oder die eigenverantwortliche Stellung als Vertragspartner einnimmt, kommt es auf den Gesamteindruck an, den ein objektiv urteilender Reisender bei der Buchung des Ausflugs gewinnt. Hiernach hat der Veranstalter Alltours die Stellung eines Vertragspartners auch für den Zusatzausflug eingenommen. Bereits das Einfügen des Ausflugsprogramms in eine Begrüßungsmappe mit dem eigenen Logo und die Überschrift „Ihr Ausflugsprogramm“ erweckten den Eindruck, das es sich um eine buchbare Reiseleistung im Rahmen der Gesamtreise handele, die ebenfalls vom Reiseveranstalter eigenverantwortlich organisiert werde, so der BGH.
Ganz entscheidend für den Eindruck der Eigenverantwortlichkeit war dabei nach Ansicht des Gerichts die Aufforderung, den Ausflug bei der Reiseleitung des Veranstalters zu buchen. Gerade dieser Umstand, dass der Ausflug bei der Reiseleitung des Veranstalters gebucht und bezahlt worden ist, ist bei allen unter Reiserechtlern bekannten Entscheidungen zu ähnlichen Fällen das wichtigste Indiz für eine Eigenleistung.
Bulgarische Mailadresse schadet dem Gesamteindruck nicht
Hinter diesem tatsächlichen Auftreten des Veranstalters gegenüber dem Urlauber tritt der lediglich formale Hinweis im Kleingedruckten, dass der Ausflug vom Reiseveranstalter nur vermittelt werde, wegen der kleinen Schriftgröße und seiner Positionierung unter den Haupttext zurück. Auch die weitere Buchungsmöglichkeit mit der bulgarischen Mailadresse schafft hier keine Abhilfe: Für den Reisenden ist nach richtiger Einschätzung des BGH jedenfalls nicht eindeutig ein anderer Vertragspartner als der Reiseveranstalter zu erkennen.
Wer als solcher den Eindruck erweckt, der Zusatzausflug sei Teil seines Programms, kann sich nicht durch eine Vermittlerklausel in seinen Geschäftsbedingungen seiner Haftung als Veranstalter entziehen. § 651a II BGB wiederholt an sich nur den allgemeinen Rechtsgrundsatz des „venire contra factum proprium“, wonach ein Widerspruch zwischen Erklärung und dem übrigen Verhalten unbeachtlich ist. Dass der BGH den Fall zur Klärung der Unfallumstände deshalb zurück an das Berufungsgericht verwiesen hat, entspricht damit der gängigen Rechtsprechung.
Der Autor Prof. Dr. Ernst Führich beschäftigt sich seit über 25 Jahren im Schwerpunkt mit Reiserecht und ist Verfasser der Werke „Reiserecht“, 7. Auflage 2015 sowie „Basiswissen Reiserecht“, 3. Auflage 2015.
