Ist im Reiseprospekt bei der Beschreibung einer Flugpauschalreise der Bahntransfer zum Flughafen ohne Hinweis auf ein zusätzliches Entgelt als „Vorteil“ aufgeführt, ist dies aus Kundensicht in der Regel dahin zu verstehen, dass es sich um eine vom Reiseunternehmen angebotene Leistung handelt, die vom genannten Pauschalpreis umfasst ist (Fortführung von BGH NJW 2011, 371 = RRa 2011, 20).

BGH, Urteil vom 29.6.2021 – X ZR 29/20

Zum Sachverhalt

Die Kl. hatten bei der Bekl. eine Pauschalreise nach Kuba für zwei Personen zum Preis von insgesamt 3.598 Euro gebucht. Der Hinflug sollte am 25.11.2017 um 12.05 Uhr vom Flughafen Düsseldorf starten. Grundlage der Buchung war ein Werbeprospekt, der die Bekl. als Reiseveranstalter nannte. In dem Prospekt wird die Reise optisch hervorgehoben und schlagwortartig wie folgt beschrieben:„Kuba, 16tägige Reise inkl. Flug, Mittelklassehotels/Vollpension, 4-Sterne Hotel/All Inclusive, Garantierte Durchführung pro Person ab 1799“. Im kleiner gedruckten Text des Angebots werden nach einer Beschreibung des Reiseverlaufs als „Inklusivleistungen“ unter anderem der Hin- und Rückflug, der Transfer vom und zum Flughafen Havanna oder Varadero sowie eine Rundreise in Kuba aufgeführt. Unmittelbar anschließend heißt es:„Vorteil: Zug zum Flug 2. Klasse incl. ICE-Nutzung“. In der den Kl. übermittelten Buchungsbestätigung wird die Reise wie folgt beschrieben:

„Kuba RR mit Baden Cayo Santa Maria, vom 25.11.17–9.12.17, 2 Erwachsene; Die Anzahl der Tage entspricht den Übernachtungen im Zielgebiet; 1 Doppelzimmer gem. Programm 3.598 Euro; Ihr Vorteil, Zug zum Flug*

*Diesen Service bieten wir Ihnen in Kooperation mit der Deutschen Bahn-AG an. Er gilt innerhalb Deutschlands. Detaillierte Informationen erhalten Sie unter http://www.z. .de“. Die genannte Adresse führt zur Rubrik „Zug zum Flug“ auf den Internetseiten der Bekl. Dort findet sich unter anderem folgender Text:

„Zug zum Flug. Der Direktbuchervorteil von B in Kooperation mit der Deutschen Bahn-AG

In Kooperation mit unserem Partner, der Deutschen Bahn-AG, bieten wir Ihnen einen Anreiseservice für die meisten Reisen aus unserem Programm. Kein Stau, kein Stress, keine teuren Parkhäuser. Mit unserem ‚Zug zum Flug‘-Paket haben Sie für alle innerhalb Deutschlands gelegenen Abflughäfen (…) optimalen Anschluss an den internationalen Luftverkehr.“

Nach Zahlung des Reisepreises erhielten die Kl. von der Bekl. die Reiseunterlagen. Die Fahrkarten tragen links oben das Logo der Deutschen Bahn-AG und das Logo der Bekl. Nach der von den Kl. bei der Bahn eingeholten Auskunft sollten sie bei einer Abfahrt vom Heimatbahnhof um 5:29 Uhr um 9:27 Uhr am Flughafen Düsseldorf eintreffen. Tatsächlich erreichten die Kl. den Flughafen erst um 11:35 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt war der Einsteigevorgang bereits abgeschlossen. Die Kl. wurden abgewiesen und konnten das Flugzeug, das pünktlich startete, nicht mehr erreichen. In einem kurz nach dem Start des Flugzeugs geführten Telefonat bot die Bekl. den Kl. die Buchung eines Ersatzflugs für einen Aufpreis von 2.400 Euro an. Die Kl. lehnten dies ab und traten die Heimreise an.

Das LG Koblenz (Urt. v. 8.8.2019 – 16 O 106/18, BeckRS 2019, 56161) hat die Klage abgewiesen. Die Berufung (OLG Koblenz, Urt. v. 1.4.2020 – 5 U 1638/19, BeckRS 2020, 49932) der Kl. ist erfolglos geblieben. Die vom BerGer. zugelassene Revision der Kl. hatte Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache an das BerGer.

Aus den Gründen

13I. Das BerGer. hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

14Da die Reise vor dem 1.7.2018 gebucht worden sei, finde auf den Reisevertrag gem. Art. 229 § 42EGBGB das bis zum 30.6.2018 geltende Recht Anwendung.

15Den Kl. stehe ein Anspruch auf Erstattung des Reisepreises weder aus § 651 e BGB aF und § 812 I 1 BGB zu noch als Schadensersatzanspruch aus § 651 f BGB aF. Voraussetzung für solche Ansprüche sei ein Mangel der bei der Bekl. gebuchten Pauschalreise. Daran fehle es. Die Anreise zum Flughafen Düsseldorf mit der Bahn sei nicht Bestandteil der von der Bekl. zu erbringenden Reiseleistung gewesen, sondern eine von der Bekl. vermittelte Fremdleistung der Deutsche Bahn-AG. Daher habe die Bekl. mit der Vermittlung ihre Pflicht erfüllt und brauche für den Erfolg der Leistung nicht einzustehen. Nach den konkreten Umständen des Streitfalls sei nicht festzustellen, dass die Bekl. aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven und verständigen Empfängers die Anreise per Bahn als eigene Reiseleistung angeboten habe. Der Reiseprospekt sei insoweit nicht eindeutig, doch weise der Umstand, dass die Bahnfahrkarte nicht bei den Inklusivleistungen genannt sei, sondern unter der gesonderten Bezeichnung „Ihr Vorteil“ aufgeführt werde, darauf hin, dass es sich bei den Zugfahrkarten um Zusatzleistungen handele, die nicht im Reisepreis eingeschlossen seien. Sowohl in der Buchungsbestätigung als auch auf der dort in Bezug genommenen Internetseite der Bekl. werde jeweils auf die Kooperation mit der Bahn verwiesen, was nicht darauf schließen lasse, dass die Bekl. die Anfahrt mit der Bahn als eigene Leistung erbringe. Ferner könnten aus den den Kl. übermittelten Fahrkarten keine eindeutigen Schlüsse gezogen werden. Der Hinweis auf mögliche Verspätungen öffentlicher Verkehrsmittel und die eigene Verantwortlichkeit des Reisenden für die Planung der Anfahrt mit der Bahn sprächen dafür, dass die Bekl. keine Verantwortung für eine pünktliche Ankunft am Flughafen habe übernehmen wollen.

16II. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Revisionsverfahren in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Mit der vom BerGer. gegebenen Begründung können Ansprüche der Kl. wegen eines Mangels der Reise nicht verneint werden.

171. Im Ausgangspunkt zutreffend hat das BerGer. angenommen, dass die Frage, ob der Bahntransfer der Kl. zum Flughafen Düsseldorf zum Leistungsumfang des mit der Bekl. geschlossenen Reisevertrags gehört, anhand einer Würdigung der Umstände des konkreten Falls zu beurteilen ist.

18a) In der Rechtsprechung des BGH ist anerkannt, dass Reiseunternehmen einerseits als Vermittler von Reiseleistungen, andererseits als Erbringer solcher Leistungen in eigener Verantwortung tätig werden können, wobei sie sich auch in diesem Fall Dritter als Leistungsträger bedienen können. Handelt es sich um eine Eigenleistung, haftet das Reiseunternehmen für einen Mangel der Leistung. Liegt eine vermittelte Fremdleistung vor, so hat das Reiseunternehmen mit der Vermittlung der Leistung seine Pflichten erfüllt und braucht für den Erfolg der Leistung nicht einzustehen. Welche Art von Tätigkeit vorliegt, hängt entscheidend davon ab, wie sich die Vertragspartner gegenüberstehen, insbesondere, wie das Reiseunternehmen aus der Sicht des Reisenden auftritt (BGH NJW 2011, 371= RRa 2011, 20 Rn. 11; NJW-RR 2007, 1501 = RRa 2007, 221 Rn. 12 f.; BGHZ 156, 220 [225] = NJW 2004, 681).


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19Für den Fall eines vergünstigten Bahntransfers vom Heimatort zum Abflughafen bei einer Pauschalflugreise mittels Rail&Fly-Ticket hat der BGH in einer früheren Entscheidung unter den dort gegebenen Umständen eine Eigenleistung des Reiseunternehmens angenommen. Diese Würdigung war insbesondere darauf gestützt, dass der Bahntransfer im Reisekatalog als Teil der Reise aufgeführt und mit dem Hinweis beworben wurde, er ermögliche einen entspannten Start in den Urlaub, ferner, dass die Bahnfahrkarten vom Pauschalpreis umfasst waren und das Reiseunternehmen auf den Bahnfahrkarten genannt war (BGH NJW 2011, 371 = RRa 2011, 20Rn. 13 ff.).

20Maßgeblich für die Einordnung der Leistung ist das Gesamtverhalten des Reiseunternehmens, dessen Würdigung dem Tatrichter obliegt. Das RevGer. hat insoweit nur zu prüfen, ob der Streitstoff umfassend, widerspruchsfrei und ohne Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze gewürdigt worden ist. Allgemeine Geschäftsbedingungen hat es selbst auszulegen.

21b) Die vom BerGer. vorgenommene Einordung des Bahntransfers als Reiseleistung, die die Bekl. nur vermittelt habe, hält der rechtlichen Überprüfung nach diesen Maßstäben nicht stand.

22aa) Entgegen der Auffassung des BerGer. ist dem Prospekt aus Kundensicht zu entnehmen, dass die Bekl. den Bahntransfer als eigene, vom Pauschalpreis umfasste Leistung anbietet.

23Der Prospekt, dessen Angaben die Vertragsgrundlage bilden und als Allgemeine Geschäftsbedingungen vom Senat selbst auszulegen sind (vgl. BGHNJW 2011, 371 = RRa 2011, 20 Rn. 14; NJW 2000, 1188 = RRa 2000, 85), führt den Bahntransfer zwar nicht bei den Leistungen auf, die unter dem Stichwort „Inklusivleistungen“ genannt sind. Ein Bahntransfer 2. Klasse unter Nutzung des ICE ist aber als „Vorteil“ genannt. Ein zusätzliches Entgelt ist dafür im Prospekt nicht vorgesehen. Dies ist aus der maßgeblichen Kundensicht dahin zu verstehen, dass es sich bei dem Bahntransfer um eine vom Pauschalpreis umfasste Leistung handelt.

24Entgegen der Auffassung des BerGer. lässt die Formulierung „Ihr Vorteil“ vor diesem Hintergrund nicht erkennen, dass es sich um eine Zusatzleistung handelt, die die Bekl. nur vermittelt. Eine Zusatzleistung ist typischerweise mit einem zusätzlichen Entgelt verbunden. Wenn das Reiseunternehmen einen „Vorteil“ benennt, der vom angebotenen Preis umfasst ist, liegt deshalb die Annahme nahe, dass es sich um einen Teil der angebotenen Leistung handelt.

25bb) Bei dieser Ausgangslage sprechen die Formulierungen in der Buchungsbestätigung ebenfalls dafür, dass die Bekl. den Bahntransfer als Eigenleistung anbietet.

26Der Hinweis auf eine Kooperation mit der Deutsche Bahn AG, der Umstand, dass die in der Bestätigung angegebene Internet-Adresse zu den Internetseiten der Bekl. führt und die dort enthaltene Angabe, die Bekl. biete einen „Anreise-Service“ an, deuten aus Kundensicht darauf hin, dass die Bekl. nicht nur als Vermittlerin auftritt, sondern den Bahntransfer als eigene Serviceleistung offeriert.

27Wie das BerGer. im Ansatz zu Recht angenommen hat, mögen die Angaben in der Buchungsbestätigung für sich gesehen auch die Schlussfolgerung zulassen, dass die Deutsche Bahn-AG eine eigene Leistung erbringt, die die Bekl. als ihr Kooperationspartner lediglich vermittelt. Dies reicht aber nicht aus, um den durch den Prospekt vermittelten Eindruck zu erschüttern. Vor dem Hintergrund der Prospektangaben bildet der Hinweis auf die Kooperation mit der Deutsche Bahn-AG vielmehr eine zusätzliche Bestätigung dafür, dass die Bekl. eine eigene Leistung anbietet.

28cc) Dass die Bahnfahrkarte – anders als in dem früher entschiedenen Fall – nicht nur das Logo der Bekl., sondern auch das Logo der Deutsche Bahn – AG aufweist, rechtfertigt vor diesem Hintergrund keine andere Beurteilung.

29Der durch den Prospekt erweckte und durch die Buchungsbestätigung verstärkte Eindruck, dass die Bekl. eine eigene Leistung anbietet, wird durch den Umstand, dass sie sogar auf der Fahrkarte aufgeführt ist, zusätzlich verstärkt.

30dd) Wie der BGH bereits entschieden hat, steht der Umstand, dass die Auswahl der Bahnverbindung dem Kunden überlassen bleibt, der Annahme, dass das Reiseunternehmen den Bahntransfer als Eigenleistung anbietet, nicht entgegen (BGH NJW 2011, 371 = RRa 2011, 20 Rn. 21 ff.).

312. Die gebuchte Reise war danach wegen des verspäteten Bahntransfers und des dadurch verpassten Hinflugs mit einem Fehler iSv § 651 c II BGB aF behaftet, für den die Bekl. einzustehen hat.

32Der Einwand der Revisionserwiderung, ein Mangel liege nicht vor, weil die Kl. die in den Reiseunterlagen enthaltene Empfehlung nicht beachtet hätten, die Reiseverbindung so zu wählen, dass sie mindestens zwei Stunden vor dem Abflug am Flughafen eintreffen, greift nicht durch.

33Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung kommt dem Umstand, dass der Abflug ursprünglich um 10.20 Uhr vorgesehen war, in diesem Zusammenhang keine Bedeutung zu. Ausschlaggebend ist vielmehr, dass die Abflugzeit nach den Feststellungen des BerGer. schon vor Reisebeginn auf 12.05 Uhr verlegt worden ist. Die Wahl einer Zugverbindung mit einer planmäßigen Ankunftszeit von 9.35 Uhr entspricht damit den genannten Vorgaben.

34III. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif.

351. Soweit die Kl. Erstattung des Reisepreises nach Kündigung des Reisevertrags begehren, spricht nach den bislang getroffenen Feststellungen allerdings viel dafür, dass die Kl. den Reisevertrag nach § 651 e BGB aF wirksam gekündigt haben und in Folge dessen Erstattung des Reisepreises verlangen können.

36Eine abschließende Entscheidung ist jedoch nicht möglich, weil das BerGer. diesen Sachverhalt bislang nur unter dem Gesichtspunkt eines Rücktritts gewürdigt hat.

372. Soweit die Kl. eine angemessene Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit gem. § 651 f II BGB aF begehren, sind ergänzende tatrichterliche Würdigungen zur Höhe erforderlich.

38a) Vorbringen, aus dem sich ergibt, dass die Bekl., die insoweit gem. § 278 BGB für das Verhalten der Deutschen Bahn-AG einzustehen hat, die Verspätung nicht zu vertreten hat, ist nach dem bisherigen Sach- und Streitstand nicht ersichtlich.

39b) Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung kann ein Mitverschulden der Kl. nicht daraus abgeleitet werden, dass die von ihnen gewählte Zugverbindung drei Umstiege vorsah.

40Die von der Bekl. erteilten Hinweise enthalten insoweit keine besonderen Vorgaben. Bei dieser Ausgangslage gereicht es den Kl. nicht zum Verschulden, dass sie eine von 


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der Deutschen Bahn-AG vorgeschlagene Reiseverbindung gewählt haben.

41c) Die Bemessung der Höhe des Entschädigungsanspruchs ist dem Tatrichter vorbehalten.

42Für den Fall einer Vereitelung der Reise hat der BGH eine Entschädigung iHv 50 % des Reisepreises nicht beanstandet (BGHZ 161, 389 = NJW 2005, 1047 Rn. 31).

43IV. Das Berufungsurteil ist demnach aufzuheben und die Sache an das BerGer. zurückzuverweisen.