Angesichts der Verzögerungen bei der Kostenerstattung für in der Corona-Krise gestrichene Flüge fordert die Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) eine Abschaffung der bisherigen Vorkasse-Regelungen. Künftig solle das Ticket erst wenige Tage vor Flugantritt bezahlt werden müssen, verlangte vzbv-Chef Klaus Müller in der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ vom Mittwoch.

Diese Forderung ist auch nach Auffassung des Reiserechtler Prof. Führich legitim. Nachdem der BGH die Vorauskasse des vollen Flugpreises als keine unangemessene Benachteiligung des Fluggastes angesehen hat, ist mit einer Änderung der Rechtsprechung nicht zu rechnen. Meines Erachtens ist ein Eingreifen des Gesetzgebers unbedingt notwendig, um die Interessen des Fluggastes gegenüber denjenigen der Airlines in diesen Corona-Zeiten besser zu schützen!

Es könne nicht sein, dass Airline-Kunden seit Monaten auf teils mehrere hundert Euro warten müssten und völlig unklar sei, „wann sie das Geld jemals wiedersehen werden“, kritisierte Müller. Dieses Vorgehen der Unternehmen sei „peinlich und skandalös“, zumal sie mit Milliardenhilfen der Steuerzahler unterstützt würden.

Die Verbraucherzentralen haben in diesem Jahr laut Müller bereits das Zwanzigfache an Beschwerden über Flug- und Reiseunternehmen im Vergleich zu normalen Jahren gezählt. In absoluten Zahlen waren dies demnach mehr als 80.000 Fälle. „Das ist zu einem großen Teil dem Ärger um nicht oder zu spät erfolgte Rückerstattungen von Vorkasse-Zahlungen nach Ausbruch der Corona-Pandemie geschuldet“, erläuterte der vzbv-Chef.

Eine Reihe von Reisebüros, Reiseveranstaltern und Airlines habe sein Verband zur Unterlassung aufgefordert, sagte Müller. Unter den Unternehmen, die der vzbv schließlich sogar habe verklagen müssen, seien namhafte Anbieter wie TUI, Easyjet und Condor.

https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/verbraucherschuetzer-attackieren-fluglinien-in-der-corona-krise-17046643.html

Anm.: Die Vorauskasse des Flugpreises durch die Airlines wird weder durch die EU-FluggastrechteVO noch durch das Montrealer Übereinkommen geregelt. Nach dem durch AGB abänderbaren deutschen Luftbeförderungsrecht des Werkvertrages ist der Flugpreis grundsätzlich nach Erbringung des Fluges zu entrichten (§ 641 I BGB).

Gleichwohl ist es ständige Praxis aller Airlines der Welt bei den meisten Tarifen durch eine AGB-Klausel 100% des Flugpreises kurz nach Buchung zu verlangen. Seit Jahren führen deswegen die Verbraucherzentralen unzählige Prozesse gegen die Fluglinien. Sie wurden aus meiner Sicht leider durch den BGH in seiner Grundsatzentscheidung vom 16.2.2016 – X ZR 97/14, NJW 2016, 2404, Führich, LMK 2016, 379274) bestätigt. Danach kann der Flugpreis unabhängig vom Zeitpunkt der Buchung bei Vertragsschluss zur Zahlung fällig gestellt werden. Das sei keine unangemessene Benachteiligung des Fluggastes.

Diesem Urteil kann aus vielen Erwägungen nicht gefolgt werden. Einmal entspricht eine 100 % Anzahlung nicht den bis zur Buchung durch die Airline erbrachten Aufwendungen. Zudem besteht im Gegensatz zur Flugpauschalreise kein Insolvenzschutz für den Flugpreis bei der Pleite einer Airline. Nachdem in der Corona-Krise mit großer Wahrscheinlichkeit eine Pleitewelle zu erwarten ist, kommt dem fehlenden Insolvenzschutz größte Bedeutung bei (vgl. dazu ausführlich Führich in Führich/Staudinger, Reiserecht, 8. Aufl. 2019, § 35 Rn. 42)..

Nachdem von der Justiz keine Änderung der Rechtsprechung erwartet werden kann, ist meines Erachtens ein Eingreifen des Gesetzgebers unbedingt notwendig, um die Interessen des Fluggastes gegenüber denjenigen der Airlines zu schützen!

Prof. Dr. Ernst Führich