1. Verpflichtet sich ein Restaurantbetreiber, die Gäste einer privaten Feier in seinem Lokal zu bewirten, handelt es sich im Zweifel um einen Werkvertrag über gastronomische Leistungen.

2. Der Besteller kann einen solchen Vertrag jedenfalls dann aus wichtigem Grund kündigen, wenn er vor dem 8.3.2020 geschlossen wurde und im Zeitpunkt der Kündigung die Undurchführbarkeit der Veranstaltung auf Grund der Corona-Pandemie hinreichend wahrscheinlich war.

KG Beschl. v. 6.8.2021 – 21 U 19/21, MDR 2021, Heft 20

Vorinstanz: LG Berlin – 23 O 149/20

Aus den Gründen:

… Der Anspruch ergibt sich aus § 4.1 des Veranstaltungsvertrags zwischen den Parteien, bei dem es sich um einen Vertrag mit überwiegend werkvertraglichen Elementen handelt und der folglich im Zweifel nach Werkvertragsrecht zu beurteilen ist, §§ 631 ff. BGB. Nach § 4.1 hatte die Klägerin bereits vor der Veranstaltung eine Abschlagszahlung i.H.v. 13.365 € an die Beklagte zu leisten. Aus der Vereinbarung einer solchen Abschlagszahlung folgt zugleich die Pflicht der Beklagten als Werkunternehmerin, ihre Leistungen nach Beendigung des Vertrags nachzuweisen und die Abschlagszahlung zurück zu gewähren, soweit sie keine entsprechende Vergütung verdient hat (BGH, Urt. v. 8.1.2015 – VII ZR 6/14, MDR 2015, 325; …). Da die Klägerin den Veranstaltungsvertrag am 13.3.2020 wirksam aus wichtigem Grund kündigte und die Beklagte an diesem Tag noch keine Leistungen an die Klägerin erbracht hatte, entfällt der Vergütungsanspruch der Beklagten aus diesem Vertrag vollständig, § 648a Abs. 5 BGB. Somit hat die Beklagte die erhaltene Abschlagszahlung vollständig an die Klägerin zurück zu leisten. Für die Klägerin bestand am 13.3.2021 ein wichtiger Grund zur Kündigung des Veranstaltungsvertrags mit der Beklagten. Am 13.3.2021 hatten sich Umstände, die Grundlage des Vertrags geworden waren, in einer Weise schwerwiegend geändert, dass die Parteien diesen Vertrag so nicht geschlossen hätten, wenn sie diese Entwicklung vorausgesehen hätten. Somit war die Geschäftsgrundlage des Vertrages gem. § 313 Abs. 1 BGBgestört. … Wie das LG zutreffend ausgeführt hat, haben die Parteien am 28.1.2020 den Veranstaltungsvertrag in der Erwartung geschlossen, die Geburtstagsfeier des Ehemanns der Klägerin in der vorgesehenen Form – also mit rund 90 Gästen in den Räumen des Restaurants G. – ohne erhebliches Gesundheitsrisiko und in Einklang mit den öffentlichen Vorschriften durchführen zu können. … Die Erwartung umfangreicher staatlicher Maßnahmen mit tiefgreifenden Folgen für das gesellschaftliche Leben und den Alltag des Einzelnen war im Januar 2020 … noch nicht hinreichend konkret, als dass sie zur Geschäftsgrundlage des Veranstaltungsvertrags hätte werden können. Dies änderte sich grundsätzlich erst im März 2020, wie insbesondere in Art. 240 EGBGB zum Ausdruck kommt. Die dort geregelten Moratorien, Stundungen und Gutscheinmodelle (vgl. Art. 240§§ 1, 3, 5 und 6 EGBGB) sind Sondervorschriften für die Störung der Geschäftsgrundlage infolge der Corona-Pandemie (Grünebergin Palandt, BGB, 80. Aufl. 2021, § 313 BGB Rz. 37a). Sie kommen aber nur zur Anwendung, sofern die jeweiligen Verträge vor dem 8.3.2020 (Art. 240 §§ 1 Abs. 1, 5 Abs. 1, 6 Abs. 1 EGBGB) bzw. vor dem 15.3.2020 (Art. 240 § 3 Abs. 1 EGBGB) geschlossen wurden. Somit wurden nach der Einschätzung des Gesetzgebers weitreichende Einschränkungen durch die Pandemiebekämpfung vor diesen Stichtagen noch nicht allgemein erwartet (vgl. BT-Drucks. 19/18697, 7). Dies lässt sich auf den hier in Rede stehenden Veranstaltungsvertrag übertragen.

Es ist unerheblich, dass am Tag der Kündigung des Vertrags durch die Klägerin, dem 13.3.2020, die Durchführung der Veranstaltung im Restaurant G. noch nicht untersagt war. Die Geschäftsgrundlage des streitgegenständlichen Vertrags ist nicht erst dann gestört, wenn die rechtmäßige Durchführung der Veranstaltung durch ein öffentlich-rechtliches Verbot unmöglich geworden ist, sondern bereits dann, wenn eine solche Entwicklung aus objektiver Sicht ex ante hinreichend wahrscheinlich war (zu der entspr. Problematik bei § 651h Abs. 3 BGB vgl. AG Hannover, Urt. v. 9.4.2021 – 502 C 12946/20; AG Düsseldorf, Urt. v. 8.2.2021 – 37 C 471/20; AG Frankfurt, Urt. v. 11.8.2020 – 32 C 2136/20; Sprauin Palandt, BGB, 80. Aufl. 2021, § 651h Rz. 13a). Die prognostische Einschätzung, dass die geplante Feier aufgrund von Veranstaltungsverboten am 30.3.2020 unmöglich wird oder aufgrund des Infektionsgeschehens zumindest ein signifikantes medizinisches Risiko für die Anwesenden und ihre Kontaktpersonen in der Folgezeit dar-MDR 2021, 1256stellt, war am 13.3.2020 gerechtfertigt. Dies zeigt sich schon daran, dass bereits am Folgetag, dem 14.3.2020, der Berliner Senat ein mit sofortiger Wirkung geltendes Verbot für derartige Veranstaltungen erließ ….

Wird damit die außerordentliche Kündigung des streitgegenständlichen Veranstaltungsvertrags gem. §§ 648a Abs. 1, 313 Abs. 3 BGBauf die aus der Corona-Pandemie resultierenden Gesundheitsrisiken bzw. auf staatliche Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung gestützt, steht dies nicht in Widerspruch zu Art. 240 § 5 EGBGB. … Denn die Verköstigung der Gäste eines Auftraggebers in einem Restaurant ist keine Freizeitveranstaltung i.S.v. Art. 240 § 5 EGBGB. … (ebenso für einen Abiturball vgl. LG Paderborn, Urt. v. 25.9.2020 – 3 O 261/20). …

… Zwar soll die außerordentliche Kündigung eines Vertrags aufgrund der Störung seiner Geschäftsgrundlage grundsätzlich die ultima ratio sein. Im Grundsatz ist es angezeigt, die negativen Folgen einer solchen Störung nach Möglichkeit zwischen den Parteien hälftig zu teilen (BGH, Urt. v. 23.11.1989 – VII ZR 60/89, BGHZ 109, 224 = MDR 1990, 329; …). Die Annahme eines außerordentlichen Kündigungsrechts für eine Vertragspartei kann eine deutliche Abweichung von dem Ziel solch einer hälftigen Risikoaufteilung bedeuten. Im vorliegenden Fall hält der Senat sie aber dennoch für geboten und jedenfalls vorzugswürdig gegenüber einer Absenkung des Vergütungsanspruchs der Beklagten, etwa auf 50 % der vereinbarten Vergütung. Bei der Störung der Geschäftsgrundlage für einen Mietvertrag über Geschäftsräume mag während einer staatlich angeordneten Geschäftsschließung die Herabsetzung der Miete auf die Hälfte dem Ziel der gleichmäßigen Risikoteilung nahekommen (vgl. KG, Urt. v. 1.4.2021 – 8 U 1099/20; OLG Dresden, Urt. v. 24.2.2021 – 5 U 1782/20, MDR 2021, 553; abweichend OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.2.2021 – 7 U 109/20, MDR 2021, 479; Römermann, NJW 2021, 265 ff.), denn auch wenn die Umsätze des Mieters dadurch eingebrochen sein mögen, konnte er die Räumlichkeiten in dieser Zeit immerhin weiter nutzen.

Bei einem Vertrag über die Durchführung einer Veranstaltung, die coronabedingt abgesagt werden muss, verhält es sich anders. Hier kommt der Auftraggeber nicht, auch nicht teilweise in den Genuss von Leistungen des Unternehmers, während dieser aber durch das Einsparen von Aufwendungen, die ihm bei Durchführung der Veranstaltung entstanden wären – etwa für Wareneinkauf oder Arbeitskräfte – die negativen Auswirkungen des Ausfalls verringern kann. Wenn es somit angezeigt sein sollte, die negativen Konsequenzen des coronabedingten Ausfalls einer Veranstaltung hälftig zu teilen, dann ist es sachgerecht, zur Erreichung dieses Ziels nicht auf den Umsatz abzustellen, den der Leistungserbringer bei Durchführung der abgesagten Veranstaltung hätte erzielen können, sondern auf die Kosten, die ihm durch die Absage tatsächlich entstanden sind. Nur diese sind hälftig zu teilen, wenn sie denn bekannt sind. Dies führt im Ergebnis zu einem geringeren Zahlungsanspruch des Veranstalters. Die Angemessenheit dieses Ansatzes wird aber auch durch Art. 240 § 5 EGBGB belegt, der in ähnlichen Fällen für den Veranstalter nur eine vorübergehende Stundung der Entgeltrückzahlung und im Ergebnis überhaupt keinen Zahlungsanspruch vorsieht. Für den vorliegenden Fall folgt aus diesen Überlegungen, dass eine Abmilderung der vergütungslosen Kündigung des Veranstaltungsvertrags nicht in Betracht kommt. Denn maßgeblicher Ausgangspunkt für die hälftige Teilung der nachteiligen Folgen des coronabedingten Ausfalls der Veranstaltung können nur die Kosten sein, die der Beklagten hierdurch entstanden sind und die nicht durch staatliche Unterstützungsleistungen – etwa Kurzarbeitergeld – oder die Minderung der Miete des Restaurants aufgefangen worden sind. …

Quelle: MDR 2021, Heft 20