1. Eine Pauschalreise kann auch dann kostenfrei storniert werden kann, wenn Reisende aus Angst vor Corona-Beeinträchtigungen zunächst vorsorglich storniert und sich diese Beeinträchtigungen dann im Nachhinein bestätigen.
  2. Der Reisende muss eine unerwünschte Umbuchung nicht hinnehmen und den gesetzlichen Anspruch auf unverzügliche Rückerstattung des gezahlten Reisepreises.
  3. Bei der Regelung der Verpflichtung zur unverzüglichen Rückerstattung des Reisepreises im Fall des Rücktritts handelt es sich um eine Marktverhaltensregelung (§ 651 h Abs. 5 BGB, § 3 a UWG)

LG Frankfurt, 04.05.2021 – 3-06 O 40/20, BeckRS 2021, 10387, juris

Presseerklärung der VZ BW

Seit 2020 häufen sich die Beschwerden von Reisenden über Reiseanbieter, die sich bei der Rückerstattung von stornierten, aber bereits bezahlten Reisen querstellen, ungefragt Umbuchungen vornehmen und Zwangsgutscheine ausstellen, statt Geld zu erstatten. Die Verbraucherzentrale hat deshalb bereits mehrere erfolgreiche Verfahren gegen Reiseanbieter geführt. 

Im verhandelten Fall bestätigte das Gericht den Anspruch auf eine kostenlose, vorsorgliche Stornierung und Rückerstattung des Reisepreises, wenn die Beeinträchtigung zum Reisezeitpunkt tatsächlich eintritt. Der Grund: Reiseanbieter könnten sonst Entschädigungen für vorsorgliche Reisestornos verlangen, obwohl die Reise letztlich wegen der befürchteten Beeinträchtigung tatsächlich nicht stattgefunden hat.

„Das Urteil zeigt, dass Reisende keine Reisen ins Ungewisse hinnehmen müssen und das Recht haben, bei Unsicherheit kostenfrei stornieren zu können“, sagt Oliver Buttler, Reiserechtsexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.

Im Falle einer Stornierung darf ein Anbieter Reisende außerdem nicht einfach ohne deren Einverständnis auf andere Reisezeiten umbuchen. An Reisende gerichtete Schreiben dürfen nicht den Eindruck erwecken, alternative Reisetermine seien fest gebucht und es sei noch eine An- oder Restzahlung zu leisten. Ohne ein explizites Einverständnis kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Reisenden zu einem späteren Zeitpunkt immer noch verreisen möchten.

„Leider erleben wir es immer wieder, dass Reisende auch noch jetzt auf die Rückzahlung ihrer Reisegelder aus dem letzten Jahr warten“, so Oliver Buttler weiter. Bei der Stornierung einer Pauschalreise und Aufforderung zur Rückerstattung, muss die Rückerstattung innerhalb von 14 Tagen erfolgen.

Viele Reiseanbieter verweigern eine Rückerstattung, buchen ungefragt Reisen um, oder geben Zwangsgutscheine heraus. Aus diesem Grund hat die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg bereits mehrere Verfahren erfolgreich gegen verschiedene Anbieter geführt. Betroffene sollten sich daher umgehend über ihre Rechte informieren und entsprechend ihre Gelder zurückfordern. 

Quelle: Pressemitteilung der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg e.V. v. 22.06.2021, juris

Anm.: Der Entscheidung ist zuzustimmen. Anderenfalls könnte der Reiseveranstalter infolge des voreiligen Rücktritts des Reisenden eine Entschädigung sogar für solche Reisen verlangen, die schließlich gar nicht haben stattfinden können, was dem Zweck der Entschädigung widerspricht (BeckOGK/Harke, § 651h, Rn. 47). Im Falle einer solchen überholenden Kausalität widerspricht weder der Wortlaut des § 651h BGB noch der zugrundeliegende Art. 12 Abs. 2 der Pauschalreiserichtlinie einer Auslegung, dass dem Veranstalter keine Entschädigung zusteht, wenn die Reise sich später wegen der Dynamik der Pandemie doch für den Veranstalter als undurchführbar oder für den Reisenden wegen der Gefährdung seiner Gesundheit als unzumutbar erweist. Richtigerweise sollte für die notwendige Prognoseentscheidung des Reisenden grundsätzlich auf den Zeitpunkt seiner Rücktrittserklärung abgestellt werden. Wegen des verbraucherschützenden Charakters des Art. 12 Abs. 2 PRL und des ihn umsetzenden § 651h BGB darf der Reisende auf seine negative Prognose vertrauen, ist aber ausnahmsweise nicht an eine positive Prognose gebunden. Insoweit kann der Reisende auch bei einem frühzeitigen Rücktritt mit einer dadurch begründeten Pflicht zur Zahlung einer Stornoentschädigung hoffen, dass dieser Nachteil für ihn bis zum vertraglichen Reisebeginn wegen des außergewöhnlichen Umstandes wieder entfällt (Siehe auch https://reiserechtfuehrich.com/2021/05/13/lg-frankfurt-m-reiseveranstalter-der-nicht-auf-die-pflicht-zur-unverzuglichen-ruckerstattung-des-reisepreises-bei-rucktritt-wegen-corona-hinweist-fur-den-verbraucher-in-die-irre-und-muss-mit-haft-b/)

Prof. Dr. Ernst Führich