Amtlicher Leitsatz:

Bei der Regelung der Verpflichtung zur unverzüglichen Rückerstattung des Reisepreises im Fall des Rücktritts handelt es sich um eine Marktverhaltensregelung (§ 651 h Abs. 5 BGB, § 3 a UWG).

LG Frankfurt a. M., Urt. v. 04.05.2021 – 3-06 O 40/20; BeckRS 2021, 10387

BGB § 651 a, § 651h Abs. 5; UWG § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3

Tenor:

I. Der Beklagten wird untersagt, in einem Pauschalreisevertragsverhältnis mit einem Verbraucher für den Fall, dass der Verbraucher von dem Pauschalreisevertrag aufgrund einer Reisebeschränkung im Zielland vom Vertrag zurückgetreten ist, die geleistete Anzahlung auf den Reisepreis nicht innerhalb von 14 Tagen nach Erklärung des Rücktritts zu erstatten, wie geschehen in dem Vertragsverhältnis mit dem Verbraucher … (Kundennummer: …).

II. Der Beklagten wird untersagt, gegenüber einem Verbraucher für den Fall, dass der Verbraucher von einem bei der Beklagten gebuchten Pauschalreisevertrag zurückgetreten ist,

1. zu behaupten, der Verbraucher habe sich für eine andere von der Beklagten angebotene Reise im darauffolgenden Jahr entschieden und/oder

2. die Pflicht des Verbrauchers zur Leistung einer Anzahlung bzw. des Restbetrags nach Erhalt einer entsprechenden Anzahlungs- bzw. Endrechnung anzukündigen wenn der Verbraucher eine solche andere Reise tatsächlich nicht gebucht hat, wie geschehen in den Schreiben nach Anlagen K 7 und K 8.

III. Der Beklagten wird für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung gegen die in Ziffern I bis II genannten Verbote ein Ordnungsgeld von bis zu EUR 250.000,00, (ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Wochen) bzw. Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an den Geschäftsführern der Beklagten, angedroht.

IV. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 197,20 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.09.2020 zu zahlen.

V. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

VI. Das Urteil ist hinsichtlich der Unterlassungsverpflichtung – Ziffern I und II – vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 70.000,- €. Im Übrigen ist das Urteil vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand:

1Die Klägerin ist in die Liste der qualifizierten Einrichtungen eingetragen (Anlage K 1).

2Die Beklagte ist laut den Angaben auf ihrer Website eine der führenden Direkt-Reiseveranstalter Deutschlands.

3Der Zeuge … buchte im August 2019 bei der Beklagten eine Pauschalreise nach Andalusien im Zeitraum 23.5.2020 bis 30.5.2020 für sich und seine Ehefrau zum Gesamtpreis von 1.788,- € (Buchungsbestätigung Anlage K 3). Er leistete für die Reise an die Beklagte eine Anzahlung in Höhe von 325,- €. Mit Schreiben vom 5.4.2020 erhielt der Zeuge von der Beklagten eine Reiserechnung mit der Aufforderung bis zum 23.4.2020 den fälligen Restbetrag von 1.475,- € zu überweisen (Anlage K 4).

4Laut einer Pressemitteilung vom 28.3.2020 (Anlage K 5) bestand ab „Montag“ (dem 30.3.2020) in Spanien eine erweiterte Ausgangssperre, bereits zuvor waren Hotels und Gaststätten geschlossen. Der „Alarmzustand“ wurde erstmals am 13.3.2020 von der spanischen Regierung ausgerufen, danach wurde er mehrmals um je zwei Wochen bis zum 24.5.2020 verlängert. Am 16.5.2020 gab die spanische Regierung bekannt, dass eine letztmalige Verlängerung bis zum 15.6.2020 erfolgen werde. Danach konnten Touristen wieder ins Land einreisen (Anlage B 1). Eine Reisewarnung des Auswärtigen Amts wegen des Corona Virus galt vom 17.3.2020 bis zunächst Ende April 2020, am 29.4.2020 wurde sie bis Mitte Juni verlängert (Anlage B 3).

5Der Zeuge … erklärt mit Schreiben vom 13.4.2020 die „Reisestornierung“ und begründete dies mit den aktuellen und sicher noch weitreichenden Reisebeschränkungen wegen der Corona-Situation. Auf den Inhalt des Schreibens (Anlage K 6) wird Bezug genommen. Zugleich bat er um Rückerstattung der Anzahlung von 325,- € und erklärte, dass er die Restforderung nicht überweisen werde. Daraufhin erhielt der Zeuge das Schreiben der Beklagten vom 29.4.2020 (Anlage K 7) mit dem Betreff „Informationen zu Ihrer gebuchten Reise: Änderung des Reisetermins“, worin die Beklagte mitteilte, dass aufgrund der aktuellen Situation die Reise bedauerlicherweise nicht an dem gewünschten Termin stattfinden könne, sie werde aber zu den gleichen Konditionen im Jahr 2021 angeboten. Zugleich übersandte die Beklagte eine Buchungsbestätigung, auf deren Inhalt Anlage K 8 Bezug genommen wird, mit der Angabe der Reisedaten für das Jahr 2021. Darin heißt es „Wir freuen uns, dass Sie sich für … und die Reise Glanzlichter Andalusiens 2021 entschieden haben. Heute bestätigen wir Ihnen Ihre Reisebuchung …“. Des Weiteren wurde dem Zeugen der Erhalt seiner Anzahlungsrechnung über die dann fälligen 20% des Reisepreises avisiert und er wurde aufgefordert, den Restbetrag nach Empfang der Endrechnung zu überweisen.

6Mit Schreiben vom 11.5.2020 (Anlage K 9) wies der Zeuge … darauf hin, dass er keinen Gutschein oder die geänderte Buchung akzeptieren werde und forderte die Beklagte auf, die Anzahlung bis zum 27.5.2020 zurückzuzahlen. Die Beklagte erstattete die Anzahlung erst am 1.7.2020.

7Die Klägerin mahnte die Beklagte mit Schriftsatz vom 11.8.2020 ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf (Anlage K 10). Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 21.8.2020 ab.

8Die Klägerin ist der Auffassung, der Zeuge … sei zu Recht zum Zeitpunkt seiner Rücktrittserklärung davon ausgegangen, dass aufgrund der Corona-Pandemie eine gefahrlose Reise Ende Mai 2020 nicht möglich gewesen sei. Sie behauptet, mit der Verhängung des „Alarmzustands“ durch die spanische Regierung sei eine Kontrolle einreisender Personen einhergegangen, die noch am Flughafen dahingehend überprüft worden seien, ob eine Notwendigkeit der Einreise bestehe, was für touristische Zwecke verneint worden sei.

9Die Klägerin beantragt,

I. der Beklagten zu untersagen, in einem Pauschalreisevertragsverhältnis mit einem Verbraucher für den Fall, dass der Verbraucher von dem Pauschalreisevertrag aufgrund einer Reisebeschränkung im Zielland vom Vertrag zurückgetreten ist, die geleistete Anzahlung auf den Reisepreis nicht innerhalb von 14 Tagen nach Erklärung des Rücktritts zu erstatten, wie geschehen in dem Vertragsverhältnis mit dem Verbraucher … (Kundennummer: … .),

II. der Beklagten zu untersagen, gegenüber einem Verbraucher für den Fall, dass der Verbraucher von einem bei der Beklagten gebuchten Pauschalreisevertrag zurückgetreten ist,

  • 1.zu behaupten, der Verbraucher habe sich für eine andere von der Beklagten angebotene Reise im darauffolgenden Jahr entschieden und/oder
  • 2.die Pflicht des Verbrauchers zur Leistung einer Anzahlung bzw. des Restbetrags nach Erhalt einer entsprechenden Anzahlungs- bzw. Endrechnung anzukündigen wenn der Verbraucher eine solche andere Reise tatsächlich nicht gebucht hat, wie geschehen in den Schreiben nach Anlagen K 7 und K 8,

III. der Beklagten für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung gegen die in Ziffern I bis II genannten Verbote ein Ordnungsgeld von bis zu EUR 250.000,00, (ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Wochen) bzw. Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an den Geschäftsführern der Beklagten, anzudrohen,

IV. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 197,20 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.09.2020 zu zahlen.

10Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

11Sie ist der Auffassung, bei der Vorschrift des § 651 h BGB handele es sich um eine reine Fälligkeitsregelung, die kein Marktverhalten regele. Zudem sei die Reise vom Zeugen … nicht wegen einer bestehenden Einreisebeschränkung in Andalusien storniert worden, sondern aus Sorge, wie sich die allgemeine Lage entwickeln werde. Zum Rücktrittszeitpunkt am 13.4.2020 sei für den avisierten Reisezeitraum vom 23.5. bis 30.5.2020 keine Einreisebeschränkung von der spanischen Regierung verhängt worden, noch sei eine Reisebeschränkung von der deutschen Regierung angekündigt worden. Bei einem „übereilten“ Rücktritt wie im vorliegenden Fall dürfe der Reiseveranstalter eine – auch pauschalierte – Entschädigung verlangen, die in Ziffer 9 der AGB der Beklagten geregelt ist (Anlage B 4). Hiervon habe die Beklagte jedoch aus Kulanz keinen Gebrauch gemacht, sondern die volle Anzahlung zurückgezahlt.

12In Bezug auf den Antrag Ziffer II fehle es an einer Täuschung durch die streitgegenständlichen Schreiben der Beklagten mangels Veranlassung zu einem wirtschaftlichen Verhalten. Es sei aus den Schreiben Anlagen K 7 und 8 klar erkennbar, dass es sich um ein unverbindliches Angebot handele. Die Bezeichnung des Angebots als „Buchungsbestätigung“ sei aus internen organisatorischen Gründen erfolgt, die Beklagte habe keine Absicht gehabt, Kunden an einem Vertrag festzuhalten, den sie nicht möchten.

13Zudem beruft sich die Beklagte auf einen Wegfall der Wiederholungsgefahr, da sie unstreitig auf eine Abmahnung der … vom 20.5.2020 (Anlage B 5) sich dieser gegenüber bereits mit Unterlassungserklärung vom 18.6.2020 strafbewehrt verpflichtet hatte, die mit dem Antrag II beanstandete Kundenkommunikation zu unterlassen (Anlage B 6). Bereits bei Erhalt der Abmahnung habe die Beklagte die abgemahnten Kundenanschreiben nicht mehr genutzt. Unstreitig teilte die Beklagte der Klägerin mit dem Schreiben vom 21.8.2020 mit, dass sie bereits wegen dieses Anschreibens abgemahnt worden sei und sie es seither nicht mehr in dieser Form verwende.

Entscheidungsgründe:

14Die Klage ist begründet.

15Der Klägerin steht gegen die Beklagte der mit dem Klageantrag Ziffer I geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3, 3Abs. 1, 3a UWG in Verbindung mit § 651 h Abs. 5 BGB zu.

16Die Klägerin ist als Fachverband im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWGklagebefugt.

17Die Beklagte ist wegen der Zuwiderhandlung gegen eine Marktverhaltensvorschrift gemäß § 3a UWG zur Unterlassung verpflichtet. Bei der Norm des § 651 h Abs. 5 BGB handelt es sich um eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG, da die Vorschrift das Marktverhalten auch im Interesse der Marktteilnehmer, das sind vorliegend die Verbraucher, regelt.

18Mit den Regelungen in §§ 651 a ff. BGB hat der deutsche Gesetzgeber die Pauschalreiserichtlinie umgesetzt. Diese soll gemäß ihres Art. 1 zu einem hohen und möglichst einheitlichen Verbraucherschutzniveau beitragen. Nach Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie erhält der Reisende die Erstattung oder Rückzahlung im Fall des Rücktritts nach Abs. 2, 3 unverzüglich und in jedem Fall innerhalb von spätestens 14 Tagen nach Beendigung des Pauschalreisevertragszurück. Diese Regelung wurde im deutschen Recht in § 651 h Abs. 5 BGBumgesetzt.

19Dabei handelt es sich um eine Marktverhaltensregelung, da Verbraucherschutzgesetze im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 1 UKlaG in der Regel zugleich Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3a UWG sind (BGH, Urteil vom 6.2.2020, Az. I ZR 93/18, zit. nach juris, Tz. 40 – SEPA-Lastschrift; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 39. Aufl. 2021, UKlaG, § 2 Rn. 33). Nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 lit. g) UKlaG sind Verbraucherschutzgesetze im Sinne dieser Vorschrift insbesondere Vorschriften des Bürgerlichen Rechts, die für Pauschalreiseverträge, die Reisevermittlung und die Vermittlung verbundener Reiseleistungen gelten. Ausweislich der Gesetzesbegründung zu § 22 AGBG a.F., der § 2 UKlaG vorangegangen ist, dient eine Norm dem Schutz der Verbraucher, wenn der Verbraucherschutz ihr eigentlicher Zweck ist, also nicht nur in der Norm von untergeordneter Bedeutung oder eine zufällige Nebenwirkung ist (BGH, Urteil vom 6.2.2020, Az. I ZR 93/18, zit. nach juris, Tz. 15 – SEPA-Lastschrift). Die Norm muss Verhaltenspflichten des Unternehmers gegenüber dem Verbraucher begründen (BGH a.a.O.).

20Die Norm des § 651 h Abs. 5 BGB dient dem Interesse der Verbraucher, da sie deren Entscheidungs- und Verhaltensfreiheit in Bezug auf die Marktteilnahme dient (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, a.a.O., UWG § 3a Rn. 1.67). Der Verbraucher soll bei dem Abschluss einer Pauschalreise die Sicherheit haben, nicht nur eine Rücktrittsmöglichkeit wahrnehmen zu können, sondern auch die Rückabwicklung des Vertrags zügig verwirklicht zu sehen, um sich ggf für eine andere Reise entscheiden und diese auch buchen zu können.

21Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich bei der Vorschrift nicht nur um eine reine Fälligkeits- bzw. Verzugsregel, die keine Auswirkung auf das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers habe. Der gezogene Vergleich mit der Regelung des § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB, die auch nicht als Marktverhaltensregel angesehen werde, trifft nicht zu, da diese Verzugsnorm nicht dem Zweck des Verbraucherschutzes zu dienen bestimmt ist. Dagegen handelt es sich bei der Norm des § 651 h BGB um eine verbraucherschützende Norm, wie oben ausgeführt.

22Ein wirksamer Rücktritt des Zeugen … im Sinne von § 651 h Abs. 3 BGB, d.h. ohne Verpflichtung zur Zahlung einer Entschädigung an den Reiseveranstalter, liegt vor.

23Der Rücktritt des Reisenden gemäß § 651 h Abs. 1 BGB erfolgte mit Schreiben vom 13.4.2020. Die Voraussetzungen nach § 651 h Abs. 3 BGBsind erfüllt, da am Bestimmungsort unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände aufgetreten waren, die die Durchführung der Pauschalreise erheblich beeinträchtigen konnte. Hierfür ist es ausreichend, dass eine erhebliche Gefahr besteht, dass sich das betreffende Risiko verwirklicht, wobei ein Indiz für eine hinreichende Gefahrenlage vorliegen kann, wenn das Auswärtige Amt vor Reisen der gebuchten Art warnt (BeckOGK/Harke, 1.2.2021, BGB § 651 h, Rn. 46). Bei der Beurteilung der Wahrscheinlichkeit der Reisebeeinträchtigung ist im Regelfall eine Prognoseentscheidung zu treffen, wobei zu Grunde zu legen ist, dass der Reisende seinen Entschluss zum Rücktritt nur unter den ihm in diesem Moment zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten fassen kann (BeckOGK/Harke, a.a.O. Rn. 47).

24Daher ist der Zeuge … zum Zeitpunkt seiner Rücktrittserklärung am 13.4.2020, die er mit der „Corona-Situation“ begründete, zu Recht von einer erheblichen Gefahrenlage ausgegangen, da bereits am 13.3.2020 die spanische Regierung den „Alarmzustand“ ausgerufen hatte, der danach mehrmals um je zwei Wochen bis zum 24.5.2020 und dann letztmalig bis zum 15.6.2020 verlängert wurde. Zudem galt eine Reisewarnung des Auswärtigen Amts wegen des Corona Virus vom 17.3.2020 bis zunächst Ende April 2020, am 29.4.2020 wurde sie verlängert (Anlage B 3). Da somit bereits zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung klar auf der Hand lag, dass es sich um eine Pandemie und damit nicht um ein kurzfristiges Ereignis handelte, durfte er zudem davon ausgehen, dass diese sich nicht in den wenigen Wochen bis zum Reisebeginn am 23.05.2020 so verbessern würde, dass er die Reise würde antreten können. Seine Einschätzung, dass die aktuellen Reisebeschränkungen sicher noch weiterreichen würden, hat sich letztlich auch bewahrheitet.

25Selbst in dem Fall, dass die Einschätzung des Zeugen … nicht zutreffend gewesen wäre und aus Sicht eines neutralen Dritten noch keine Beeinträchtigung zu befürchten war, diese aber später doch eingetreten ist, war sein Rücktritt berechtigt. Auch ein vom Reisenden zunächst zu Unrecht gefürchteter Umstand kann nachträglich seinen Rücktritt rechtfertigen. Anderenfalls könnte der Reiseveranstalter infolge des voreiligen Rücktritts des Reisenden eine Entschädigung sogar für solche Reisen verlangen, die schließlich gar nicht haben stattfinden können, was dem Zweck der Entschädigung widerspricht (BeckOGK/Harke, a.a.O. Rn. 47).

26Da die Voraussetzungen eines Rücktritts nach § 651 h Abs. 3 BGBgegeben sind, war die Beklagte zur Rückzahlung des Reisepreises, hier der Anzahlung, gemäß § 651 h BGB verpflichtet und zwar unverzüglich, auf jeden Fall aber innerhalb von 14 Tagen nach dem Rücktritt. Dagegen hat die Beklagte erst am 1.7.2020 die Anzahlung zurücküberwiesen.

27Der Verstoß war geeignet, die Interessen von Verbrauchern spürbar zu beeinträchtigen im Sinne von § 3a UWG. Der Verstoß gegen die Marktverhaltensregelung indiziert im Regelfall die Eignung zur spürbaren Beeinträchtigung der Interessen der Marktteilnehmer, an die sich die Handlung richtet (Köhler/ Bornkamm/ Feddersen/ Köhler, a.a.O., § 3 a Rn. 1.112).

28Gegen die Spürbarkeit spricht nicht, dass – wie die Beklagte meint – die reine Fälligkeits- bzw. Verzugsregelung erst im nachvertraglichen Bereich relevant werde, wenn der Verbraucher seine Entscheidung bereits getroffen habe. Vielmehr besteht die Eignung zur spürbaren Beeinträchtigung von Verbraucherinteressen, da es sich um eine verbraucherschützende Norm handelt, die sicherstellen soll, dass der Verbraucher seinen Rücktritt frei ausüben kann, ohne befürchten zu müssen, seine geleisteten Zahlungen erst in ferner Zukunft zurück zu erhalten.

29Der Klägerin steht des Weiteren gegen die Beklagte der Unterlassungsanspruch gemäß ihrem Klageantrag Ziffer II 1 aus §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG wegen Irreführung zu.

30Die von der Beklagten abgegebene anderweitige Unterlassungserklärung vom 18.6.2020 gegenüber der … . führt nicht zum Wegfall der Wiederholungsgefahr. Grundsätzlich lässt sich die Wiederholungsgefahr nach einem Wettbewerbsverstoß nur durch eine strafbewehrte Unterwerfungserklärung beseitigen. Nach der Rechtsprechung des BGH entfallen mit deren Abgabe gegenüber dem abmahnenden Gläubiger auch die Unterlassungsansprüche anderer Gläubiger wegen desselben Verstoßes (Köhler/ Bornkamm/ Feddersen/ Köhler, a.a.O., § 8 Rn. 1.48a). Hieran fehlt es jedoch vorliegend. Wie sich aus der Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung der Beklagten gegenüber der … (Anlage B 6) ergibt, bezieht sich die Unterlassungserklärung auf die dortigen Buchungsbestätigungen und Informationsschreiben (Anlagen 1 A, 1 B, 2 A, 2 B) in ihrer Gesamtheit. Dagegen stützt die Klägerin ihren Anspruch auf zwei eigenständig zu prüfende Gesichtspunkte der Schreiben Anlagen K 7 und K 8. Damit fehlt es an einem identischen Streitgegenstand, da mit der Klage eine andere konkrete Verletzungsform angegriffen wird als diejenige, die Gegenstand der Unterlassungserklärung gegenüber der … ist.

31Der Beklagten liegt gemäß § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG eine Irreführung durch eine geschäftliche Handlung zur Last, die eine unwahre Angabe enthält.

32Gegenstand einer solchen irreführenden Angabe kann die Erweckung des Eindrucks sein, eine Ware oder Dienstleistung sei vom Verbraucher bereits bestellt worden (BGH GRUR 2012, 184 Rn. 18 – Branchenbuch Berg). Da das in den streitgegenständlichen Schreiben der Beklagten hervorgerufene Verständnis des Verbrauchers, der Zeuge … habe die Reise zum geänderten Reisetermin schon gebucht, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt, ist die Angabe unwahr und damit irreführend im Sinne von § 5UWG.

33Dabei ist zu berücksichtigen, dass in der Überschrift des Schreibens Anlage K 8 die Bezeichnung „Buchungsbestätigung“ gewählt wird, was dem Kunden direkt ins Auge springt. Diese Formulierung wiederholt sich in dem Schreiben Anlage K 7, in dem es heißt „Anbei erhalten Sie ihre geänderte Buchungsbestätigung“. Dies erweckt bei dem Verbraucher den Eindruck, er habe die Reise zu dem geänderten Reisetermin bereits gebucht, was aber tatsächlich nicht der Fall ist. Auch der Hinweis auf die erfolgte Umbuchung bereits geleisteter Zahlungen und das Versprechen, der Kunde müsse sich um nichts mehr kümmern, bestärken den Verbraucher in seiner Annahme, dass die Reise im Folgejahr bereits gebucht sei.

34Der Klägerin steht gegen die Beklagte auch der Unterlassungsanspruch gemäß ihrem Klageantrag Ziffer II 2 wegen Verstoßes gegen Nr. 29 Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG zu. Die Beklagte hat den Tatbestand der Aufforderung zur Bezahlung nicht erbrachter Dienstleistungen aufgrund ihres Schreibens vom 29.4.2020 erfüllt. Voraussetzung für das Merkmal „nicht bestellt“ ist, dass der Verbraucher noch keine Erklärung abgegeben hat, in der sein Wille zum Erwerb der Dienstleistung zum Ausdruck kommt (Köhler/ Bornkamm/ Feddersen/ Köhler, a.a.O., Anh zu § 3 Nr. 29, Rn. 29.5).

35Die Beklagte hat in der Buchungsbestätigung Anlage K 8 den Kunden aufgefordert, den Restbetrag für die in dem Schreiben bezeichnete Reise „Glanzlichter Andalusiens 2021“ nach Empfang der Endrechnung zu überweisen. Zudem hat sie eine Anzahlungsrechnung angekündigt, mit der 20% des Reisepreises fällig würden. Da der Zeuge … die Reise jedoch unstreitig nicht gebucht hat, ist der Tatbestand der Aufforderung zur Bezahlung nicht erbrachter Dienstleistungen erfüllt.

36Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es auf subjektive Absichten und behauptete Fehler in der technischen Umsetzung des Angebots nicht an, da die Unterlassungsansprüche nicht verschuldensabhängig sind.

37Der Anspruch auf Ersatz der Rechtsverfolgungskosten ist aus § 12 Abs. 1Satz 2 UWG begründet.

38Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 S. 1, 2 ZPO.

Quelle: BeckRS 2021, 10387