Prof. Führich hat in der Neuen Juristischen Wochenschrift (NJW) am 16. Juli 2020 einen neuen wissenschaftlichen Beitrag zum Rücktritt vom Pauschalreisevertrag vor Reisebeginn wegen der Covid-19-Pandemie veröffentlicht.

Aufgrund der weltweit grassierende Covid-19-Pandemie sind seit März 2020 Pauschal- wie Individualreisen fast völlig zum Erliegen gekommen. Insbesondere Pauschalreisende versuchen, sich ohne Stornoentschädigung gem. § 651h III BGB von ihren Verträgen zu lösen, weil sie Angst haben, in Corona-Zeiten zu reisen und sie sich nicht mit einem bisher nicht bekannten Virus infizieren wollen, der zu schweren Gesundheitsfolgen und gar zum Tode führen kann.

Zunächst wird erörtert, wann von einer erheblichen Beeinträchtigung am Bestimmungsort ausgegangen werden kann und welche Indizien dafür relevant sind. Sodann wird auf auf den Zeitpunkt des Rücktritts und auf seine Rechtsfolgen eingegangen. Große Beachtung in der Praxis findet Frage der Fälligkeit der Restpreiszahlung und einer Unsicherheitseinrede, eine Gutscheinlösung als Alternative zur Rückerstattung in Geld und das Problem der Insolvenzsicherheit des Erstattungsanspruchs.

Der Beitrag kommt zu folgendem Ergebnis:

1. Die Covid-19-Pandemie mit der Gefahr einer schweren Erkrankung und des Todes und die zu ihrer Eindämmung unternommenen hoheitlichen Maßnahmen im In- und Ausland führen dazu, dass die Durchführung von Pauschalreisen wegen unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstände erheblich beeinträchtigt sein kann.

2. Pauschalreisende und Reiseveranstalter können nach der unabdingbaren, vorrangigen Sonderregelung des § 651h BGB vor Reisebeginn ohne Entschädigungsanspruch zurücktreten, wenn nach einer Prognose im Zeitpunkt des jederzeit möglichen Rücktritts mit einer Wahrscheinlichkeit von 25 % und mehr mit einer erheblichen Beeinträchtigung am Bestimmungsort der Reise oder der Anreise zu rechnen ist.

3. Indizien für diese Eintrittswahrscheinlichkeit einer erheblichen Beeinträchtigung sind die weltweite Reisewarnung des AA vom 18.3.bis 16.6.2020, die Reisewarnung für einzelne Zielgebiete, Reisehinweise mit Empfehlungen zur Sicherheitslage, bestehende behördliche Maßnahmen im In- und Ausland wie Ein- und Ausreiseverbote, Ausgangssperren sowie Warnungen der WHO, in den Medien und durch das RKI für Risikopersonen und -gebiete. Für den Rücktritt besteht keine Frist, jedoch erscheint eine sichere Prognose vier Wochen vor Reisebeginn möglich. 

4. Vor dem Rücktritt kann der Reisende wegen einer drohenden mangelnden Leistungsfähigkeit des Reiseveranstalters mit einer Unsicherheitseinrede nach § 321 BGB die Fälligkeit der Vorauszahlung des Restreisepreises verhindern. Mit dem Rücktritt entfällt auf jeden Fall der Anspruch auf den Reisepreis. 

5. Der Reisepreis ist unverzüglich, spätestens 14 Tage nach dem Rücktritt zu erstatten. Der Erstattungsanspruch ist bei späterer Insolvenz des Reiseveranstalter durch den Sicherungsschein der  Reise abgesichert. Daher ist es unerheblich, ob der Rückzahlungsanspruch bereits vor der Insolvenz besteht. 

6. Der Reisende kann statt Geld freiwillig einen insolvenzsicheren Gutschein annehmen.

Fuehrich Ernst, Rücktritt vom Pauschalreisevertrag vor Reisebeginn wegen Covid-19-Pandemie, NJW 2020, 2137