Wer eine Pauschalreise gebucht hat und dann nicht am Flughafen erscheint, erklärt damit noch nicht (konkludent) den Rücktritt vom Reisevertrag gegenüber dem Reiseveranstalter.
AG München, Urteil 05.02.2024 – 242 C 15369/23
Geklagt hatte eine Frau, die im Sommer 2021 eine Pauschalreise nach Mallorca gebucht hatte. Den Gesamtpreis in Höhe von 1.114 Euro zahlte die Frau dabei bereits einige Zeit vor Antritt der Reise. Jedoch bekam sie sodann doch noch Bedenken wegen der damaligen Corona-Lage. Daher erschien sie am Abreisetag nicht am Flughafen und erklärte per E-Mail den Rücktritt von dem Reisevertrag – vier Minuten nach der geplanten Abflugzeit.
Als Stornogebühr berechnete der Reiseveranstalter der Frau 85 Prozent des Reisepreises. Aus Kulanz verringerte er diesen Betrag sodann noch auf unter 50 Prozent des ursprünglichen Gesamtpreises. Doch das genügte der Frau nicht; sie wollte gar nichts für die Reise bezahlen. Vor dem AG München klagte sie daher auf Rückzahlung der reduzierten Stornogebühr. Sie meint, sie habe noch vor Reisebeginn wirksam den Rücktritt gemäß § 349 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erklärt. Doch das Gericht sieht das anders.
Da die E-Mail der Frau erst wenige Minuten nach geplanter Abflugzeit zugegangen war, schied eine ausdrückliche Rücktrittserklärung insoweit aus. Es kam darauf an, ob allein das Nichterscheinen am Flughafen eine konkludente Rücktrittserklärung sein kann. Das lehnte das AG München ab.
Das Nichterscheinen könne vielfältige Gründe haben. „Ohne weitere Anhaltspunkte lässt sich daher auch nach einem objektiven Empfängerhorizont nicht zwangsläufig schließen, dass der Reisende kein Interesse mehr an der Reise hat, wenn er die Reise nicht rechtzeitig antritt“, heißt es in dem Urteil. Da der Rücktritt „als Gestaltungsrecht grundsätzlich unwiderruflich und damit endgültig ist“, sei eine Auslegung bloßer Verspätung als konkludente Rücktritterklärung zu weitgehend, so das Gericht.
Das Urteil ist rechtskräftig.
jb/LTO-Redaktion Justiz Bayern
Anmerkung Führich: Mit dieser Entscheidung widerspricht das AG der herrschenden Meinung in der Literatur des Reiserechts, wonach auch im Pauschalreiserecht ein sog. „no show“ als stillschweigender Rücktritt durch schlüssiges Verhalten zu werten ist (Führich/Staudinger, Reiserecht/Staudinger, § 16 Rn. 7; MüKoBGB/Tonner, 9. Aufl. § 651h Rn. 12; BeckOGK/Harke Rn. 12; BeckOK, BGB/Geib Rn. 5; Erman/Blankenburg Rn. 2; Führich/Achilles-Pujol, Basiswissen Reiserecht, 5. Aufl. Rn. 111; abl. jurisPK-BGB/Steinröttter Rn. 13; AG München, 23.6.2021, BEckRS 2021, 30683). Als formfreie empfangsbedürftige Willenserklärung wird sie wirksam, wenn sie dem Reiseveranstalter zugegangen ist (§ 130 BGB). Damit bekommt sie der Veranstalter am Abreisetag zur Kenntnis. Der Veranstalter ist nicht anders gestellt, als wenn der Reisende am Tage des Reisebeginns durch eine ausdrückliche Erklärung zurücktreten würde. Konsequente Folge ist, dass der Reisende beim bloßen Nichtantritt die Stornopauschale der letzten Rücktrittsstaffel zu zahlen hat, wenn kein unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstand vorliegt. Nachdem das Amtsgericht es bereits an einem Rücktritt der Klägerin vom Reisevertrag hat fehlen lassen, musste das Gericht sich nicht mit der Frage des Vorliegens unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstände am Bestimmungsort durch die Corona-Pandemie beschäftigen und machte so eine kurzen Prozess für die Klägerin.
Leider ist das Urteil rechtskräftig geworden, obwohl das Amtsgericht ausdrücklich die Berufung wegen dieser Rechtsfrage zugelassen hat.

