Fluggästen steht auch dann ein Ausgleichsanspruch nach der FluggastrechteVO zu, wenn der wegen Annullierung des Fluges in Anspruch genommene Ersatzflug mit einem anderen Luftverkehrsunternehmen Verspätung hat.

BGH, 10.10.2017 – X ZR 73/16

Die Kläger begehren eine Ausgleichszahlung in Höhe von jeweils 600 Euro nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. c i.V.m. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 (Fluggastrechteverordnung). Die Kläger buchten bei dem beklagten Luftverkehrsunternehmen einen Flug von Frankfurt am Main nach Singapur mit Anschlussflug nach Sydney, der auf beiden Teilstrecken von der Beklagten durchgeführt werden sollte. Die Beklagte annullierte den ersten Flug von Frankfurt nach Singapur am vorgesehenen Abflugtag und bot den Klägern als Ersatz einen Flug eines anderen Luftverkehrsunternehmens an, der am selben Tag starten und am Folgetag um etwa die gleiche Uhrzeit wie der ursprünglich vorgesehene Flug in Singapur landen sollte. Der Start dieses Fluges verzögerte sich jedoch um etwa 16 Stunden, so dass die Reisenden den ursprünglich vorgesehenen Weiterflug in Singapur nicht erreichten und mit einer Verspätung von mehr als 23 Stunden in Sydney ankamen.

Das Amtsgericht hatte die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hatte das Landgericht die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von insgesamt 1.800 Euro nebst Verzugszinsen verurteilt. Die Regelung in Art. 5 Abs. 1 Buchst. c Nr. iii FluggastrechteVO sei nach ihrem Sinn und Zweck dahin zu verstehen, dass Ausgleichsansprüche nicht bereits durch ein Angebot zur anderweitigen Beförderung ausgeschlossen würden, sondern nur dann, wenn der Fluggast mit dem angebotenen Ersatzflug sein Endziel tatsächlich höchstens zwei Stunden später als ursprünglich vorgesehen erreicht habe.

Der BGH hat die Revision der Beklagten gegen das Berufungsurteil zurückgewiesen.

Nach Auffassung des BGH bleibt die Beklagte wegen der Annullierung des ursprünglichen, von ihr geplanten Fluges ausgleichspflichtig, da die Kläger mit dem ihnen angebotenen Ersatzflug ihr Endziel tatsächlich nicht höchstens zwei Stunden später als ursprünglich vorgesehen erreicht haben. Dass der angebotene Ersatzflug, wenn er planmäßig durchgeführt worden wäre, den Vorgaben des Art. 5 Abs. 1 Buchst. c Nr. iii FluggastrechteVO entsprochen hätte, reiche nicht aus, um die Beklagte von ihrer Ausgleichspflicht zu befreien. Ebenso wenig komme es darauf an, ob die Kläger gegen das den Ersatzflug ausführende Luftverkehrsunternehmen Ausgleichsansprüche wegen Verspätung geltend machen könnten. Den Zielen der Fluggastrechteverordnung werde allein durch ein Verständnis des Art. 5 Abs. 1 Buchst. c Nr. iii FluggastrechteVO Rechnung getragen, wonach ein Ausgleichsanspruch nur dann ausgeschlossen ist, wenn der Fluggast das Endziel mit dem Ersatzflug tatsächlich höchstens zwei Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit erreichen konnte. Die Begründung eines Ausgleichsanspruchs gegen das den Ersatzflug ausführende Luftverkehrsunternehmen genüge hierfür nicht, zumal eine Verspätung des Ersatzflugs nicht in jedem Fall zu einem Ausgleichsanspruch führe. Ein solcher Anspruch sei beispielsweise ausgeschlossen, wenn das den Ersatzflug ausführende Luftverkehrsunternehmen nicht dem Geltungsbereich der Fluggastrechteverordnung unterfalle oder dessen Verspätung weniger als drei Stunden betrage.

Vorinstanzen
AG Frankfurt, Urt. v. 14.10.2015 – 31 C 2494/15 (17)
LG Frankfurt, Urt. v. 16.06.2016 – 2-24 S 208/15

Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 158/2017 v. 10.10.2017