1. Zur Einstandspflicht des Reiseveranstalters bei Verunreinigung des Meerwassers durch eine defekte Kläranlage.

2. Für eine Verschmutzung des Meerwassers durch eine defekte Kläranlage ist der Reiseveranstalter nicht verantwortlich.

3. Die Verletzung einer Informationspflicht stellt nur dann einen Reisemangel dar, wenn sie zeitlich vor der Anreise erfolgt. (Leitsätze 2 und 3 von der Redaktion)

AG Köln, Urteil vom 7.9.2015 – 142 C 80/15, NJW 2016, 879

Zum Sachverhalt

Die Kl. nimmt die Bekl., eine Reiseveranstalterin, auf Reisepreisminderung in Anspruch. Die Kl. buchte für sich, O und K sowie D und X eine Reise in die Türkei in das Hotel Y./Side in der Zeit vom 25.8.2014 bis zum 8.9.2014. Der Gesamtreisepreis belief sich auf 5778 Euro. Gebucht war die Unterbringung in zwei Doppelzimmern. In der Region, dem Feriengebiet Evrenseki, kam es zu einem Defekt in der örtlichen Kläranlage. Die Kl. fragte unter dem 21.8.2014 bei ihrem Reisebüro nach, ob in der Region ein Abwasserproblem bestehe. Nach Rücksprache mit der Bekl. erklärte das Reisebüro, dass die Pumpe ersetzt und die Abwasserprobleme letzte Woche behoben wurden. Die Kl. trat die Reise an. Das Meer und der zwischen dem gebuchten Hotel Y. und dem Hotel P. gelegene Fluss/Kanal stanken stark. Sowohl in dem gebuchten Hotel als auch in dem Hotel P. war eine große Anzahl von Gästen an Magen-Darm-Beschwerden erkrankt. Der Hotelmanager teilte mit, dass es unbedenklich sei, im Meer zu baden. Am 2.9.2014 teilte der Reiseveranstalter U in dem Hotel per Aushang mit, dass der Leitwert der EU-Richtlinien in Bezug auf Kolibakterien überschritten ist, aber noch weiter unterhalb des oberen Grenzbereichs liegt. Das Baden im Meer sei nicht gänzlich unbedenklich. Ein offizielles Badeverbot bestehe nicht. Die Kl. macht geltend, sie und ihre Mitreisenden seien an Brechdurchfall erkrankt gewesen. Die Kl. ist der Ansicht, dass dies eine Reisepreisminderung iHv 15 % (866,70 Euro) rechtfertige.

Das AG Köln hat die Klage abgewiesen.

Aus den Gründen

Der Kl. steht gegen die Bekl. kein Anspruch auf Reisepreisminderung gem. § 651 d BGB aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Reisevertrag zu.

I. Es ist auf Grundlage des Vortrags der Kl. nicht erkennbar, dass die behaupteten Magen-Darm-Erkrankungen der Kl. und ihrer Familie auf einen der Bekl. zuzurechnenden Reisemangel gem. § 651 c BGB zurückzuführen sind. Weder ist substanziiert dargetan, dass eine bestimmte Reiseleistung gem. § 651 c BGBmangelhaft erbracht wurde und die Erkrankungen auslöste noch liegt ein Reisemangel in Gestalt einer Informationspflichtverletzung vor.

Ein zu den Erkrankungen der Kl. und ihrer Familie aus dem Bereich des Hotels Y. führender Reisemangel liegt nicht vor, er lässt sich insbesondere nicht auf unzureichende Hygiene oder Sauberkeit in dem Hotel zurückführen.

Ein Reisemangel liegt nach § 651 c I BGB vor, wenn die Reiseleistungen nicht der vertraglich vereinbarten Sollbeschaffenheit entsprechen. Abzugrenzen sind von den vertraglich geschuldeten Leistungen dabei solche Umstände, die dem Reiseveranstalter nicht zuzurechnen sind, weil sie dem allgemeinen Lebensrisiko oder dem Umfeldrisiko zuzurechnen sind. Damit werden aus der Gewährleistung Störungen ausgenommen, mit denen der Reisende auch im Alltag rechnen muss sowie solche Störungen, die sich aus den natürlichen, biologischen, klimatischen, lebenstypischen, aber auch kulturellen und politischen Umständen des Reiselands ergeben und sich dem Einfluss des Reiseveranstalters entziehen. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Mangels trägt der Reisende. Bei Erkrankungen Reisender auf einer Pauschalreise kommt eine Einstandspflicht des Veranstalters damit nur in Betracht, wenn die Erkrankung ihre Ursache in dem von dem Veranstalter zu verantwortenden Leistungsbereich hat. Bei Erkrankungen hat der Reisende daher zunächst darzulegen und zu beweisen, dass es in dem von ihm gebuchten Hotel in engem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang zu seiner Erkrankung zu einer gleichartigen Erkrankung einer signifikanten Anzahl weiterer Hotelgäste gekommen ist. Als signifikant wird in der Rechtsprechung ein Prozentsatz von mehr als 10 % angesehen (Führich, Reiserecht, 7. Aufl., § 9 Rn. 82 mwN). Daneben muss der Reisende auch darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass die Erkrankung kausal auf eine dem Veranstalter zuzurechnende Leistung zurückzuführen ist und dass diese mangelhaft war. Beweiserleichterungen kommen ihm nur in Hinblick auf die Mangelhaftigkeit zugute, wenn auf Grund des zeitlichen und räumlich engen Verhältnisses zwischen einer bestimmten Leistung und der Erkrankung einer nicht unerheblichen Anzahl von Gästen der Anschein gesetzt ist, dass die Leistung mangelhaft war. So kann sich ein solcher Anscheinsbeweis zum Beispiel ergeben, wenn die Erkrankungen in einem engen, zeitlichen Zusammenhang zu einer konkreten Leistung aufgetreten sind, zum Beispiel einem bestimmten Essen. In diesem Fall müsste dann die Bekl. darlegen, dass eine Mangelhaftigkeit des Essens wegen Einhaltung der Hygiene in der Küche ausgeschlossen werden kann.

Vorliegend kann die Kl. sich auf keine Beweiserleichterung berufen. Die Kl. trägt vor, dass eine große Anzahl von Gästen in demselben Reisezeitraum in dem gebuchten Hotel Y. und dem Hotel P. an Magen-Darm-Beschwerden erkrankt sind. Es ist aber nicht dargetan, welcher näher zu konkretisierende Mangel einer Leistung des Hotels für die Erkrankung ursächlich gewesen sein soll. Bei der behaupteten Verschmutzung des Meeres durch eine defekte Kläranlage handelt es sich um eine außerhalb der Sphäre der Bekl. liegende Ursache. Hierfür hat die Bekl. aber, da die Klärung des Wassers nicht zu ihren Leistungspflichten gehört, keine Einstandspflicht. Selbst wenn aber ungeklärtes Wasser vorhanden gewesen wäre, fehlt es an der Darlegung, dass die Beschwerden hierauf zurückzuführen sind. Es wird nicht vorgetragen, ob die Erkrankung eine bakterielle oder eine virale Ursache hat oder überhaupt welchen Ursprungs die Erkrankung ist. Gerade in Bereichen, in denen Menschen nahe beieinander leben und wohnen, breiten sich virale Infektionskrankheiten auf Grund der vielfältig in Betracht kommenden Übertragungswege rasch aus, ohne dass damit schon etwas zu der Quelle des Virus gesagt wäre. Auch zu der Ursache der Erkrankung der anderen Gäste fehlt es an entsprechend susbtanziiertem Vortrag. Es sind alternative Kausalverläufe möglich, ohne dass im Leistungsbereich der Bekl. ein Mangel vorliegen müsste. Hierzu gehört insbesondere bei Viruserkrankungen der Umstand, dass ein Reisender bereits mit dem Virus angereist ist und dieser sich dann im Hotel verbreitet hat. Da aber der Vortrag der Kl. alternative Übertragungen einer Krankheit etwa durch Ansteckung außerhalb des Hotels oder durch Ansteckung bei anderen Reisenden nicht ausschließt und weiter auch keine bestimmte Quelle im Hotel als Auslöser dargelegt wurde, lässt sich insoweit ein Reisemangel, der zur Minderung berechtigen würde, nicht erkennen.

Es ist auch kein zur Minderung berechtigender Reisemangel dergestalt erkennbar, dass die Bekl. in Hinblick auf die Gefahr einer Erkrankung durch Baden im Meer Informationspflichten verletzt hätte.

Ein Reisemangel gem. § 651 c BGB kann auch in der Verletzung von Aufklärungs- und Informationspflichten liegen. Gegenstand der Verpflichtung des Reiseveranstalters aus dem Reisevertrag ist es auch, den Vertragspartner auf Umstände hinzuweisen, die geeignet sind, die Reise zu beeinträchtigen. Zur Erfüllung dieser Pflicht ist auch zu fordern, dass die Bekl. durch ihre Mitarbeiter die Situation vor Ort beobachtet und die vorhandenen Informationen sammelt und weiterleitet. So ist es die Pflicht des Reiseveranstalters, Kenntnisse über das Bestehen von ins Gewicht fallenden Krankheitsrisiken am Reiseziel rechtzeitig an den Reisenden weiterzuleiten. Solche Risiken können sich nicht nur daraus ergeben, dass eine signifikante Anzahl von Krankheitsfällen in dem gebuchten Hotel selbst aufgetreten ist, sondern auch daraus, dass in dem Umfeld des Reiseorts eine gesundheitsgefährdende Situation aufgetreten ist, die zu Erkrankungen führen kann. Liegen solche Risiken in einem engen zeitlichen Zusammenhang zu dem Reisebeginn eines Gastes vor, hat der Veranstalter den Reisenden vor seiner Anreise zu informieren, um ihm die Möglichkeit zu geben, gegebenenfalls den Reisevertrag zu kündigen.

Im vorliegenden Fall ist aber nicht ersichtlich oder dargetan, dass derartige Risiken kurz vor dem Reisebeginn der Kl. bestanden. Die insoweit darlegungsbelastete Kl. hat zu dem vor Reiseantritt vorhandenen Krankheitsrisiko nicht substanziiert vorgetragen. In Hinblick auf die Gefährdung durch eine Verschmutzung des Meeres wegen einer Störung der Kläranlage ist festzustellen, dass nicht ersichtlich und auch nicht dargetan ist, dass die Bekl. vor Reiseantritt der Kl. am 25.8.2014 Kenntnis von Erkrankungen hatte, die sich auf eine Verunreinigung des Meerwassers durch den Störfall in der Kläranlage zurückführen ließen. Es ist bereits nicht erkennbar, dass die Bekl. Kenntnis hatte, dass überhaupt eine Verunreinigung des Wassers vorlag. Fest steht lediglich, dass sie Kenntnis von einem Störfall in der Kläranlage hatte. Die Kl. behauptet aber nicht, dass der Störfall in der Kläranlage im Zeitpunkt ihrer Anreise noch bestand. Erst zum 2.9.2014, also nach der Anreise der Kl., ergab sich eine Situation, wo jedenfalls ein anderer Reiseveranstalter eine Warnung aussprach.

Zudem ist auch der Zurechnungszusammenhang zwischen einem Baden im Meer und den Erkrankungen fraglich. Es ist – wie dargelegt – unklar, worauf konkret die Erkrankung der Kl. zurückzuführen ist, ob sie viralen oder bakteriellen Ursprungs ist. Anhaltspunkte dafür, dass die Magen-Darm-Beschwerden auf Kolibakterien in durch ungeklärtes Abwasser verunreinigtes Meerwasser zurückzuführen sind, fehlen und werden von der Kl. auch nicht substanziiert dargelegt. Der Vortrag, dass das Meer und der am Hotel gelegene Fluss stanken, genügt den an einen substanziierten Vortrag zu stellenden Anforderungen nicht.

Anmerkung Prof. Dr. Ernst Führich

Die Entscheidung verdeutlicht einmal mehr, welchen Umweltrisiken Badeurlauber an hochfrequentierten Küsten heute ausgesetzt sind, gleichwohl Gerichte sehr hohe Anforderungen an den substanziierten Nachweis von Gesundheitsbeeinträchtigungen als Reisemängel und an die Informations- und Fürsorgepflicht stellen. Zutreffend geht das Urteil davon aus, dass die Einstandspflicht des Reiseveranstalters sich grundsätzlich nicht auf das nach dem Leistungsprogramm nicht geschuldete Umfeld des Reiseziels erstreckt. Auch bei einem Badeurlaub übernimmt der Veranstalter in seinem Prospekt oder auf seiner Internetseite keine Gewähr für die Sauberkeit des Meeres, so dass ortsübliche und im Zielgebiet natürliche Verschmutzungen der Strände wie Algen, Seetang, Ölverschmutzungen als allgemeines Lebens- und Umweltrisiko des Reisenden ersatzlos hinzunehmen sind (Führich, § 7 Rn. 120).

Im Bereich des Umfelds des Reisegebiets hat der Veranstalter nur dann eine Einstandspflicht, wenn der Reiseveranstalter seine Informations- und Fürsorgepflichten vor und nach Reiseantritt verletzt oder eine Zusicherung über das Umfeld der Reise macht. Sobald das allgemeine Lebensrisiko zu einer besonderen konkreten Gefahr für den Reisenden oder den vertraglich vereinbarten Verwendungszweck der gebuchten Reise als Badereise wird, hat der Reiseveranstalter Informationspflichten unter dem Gesichtspunkt der Fürsorge gegenüber dem Reisenden zu erfüllen (§ 241II BGB). Nachdem der Veranstalter in der Regel besser über die jeweilige Situation des Reisegebiets informiert ist, muss der Veranstalter den Reisenden soweit informieren, dass sich dieser auf die jeweilige Umweltsituation einstellen kann. Insoweit hat der Reiseveranstalter eine Umweltbeobachtungspflicht als Bestandteil seines Leistungsbündels (Führich, § 7 Rn. 127 u. § 9 Rn. 87; ders.,NJW 1991, 2192). Erfolgt keine oder nur eine unzureichende Information oder eine unrichtige Zusicherung, liegt hierin schon ein selbstständiger Reisemangel, soweit der Nutzen der Reise als Erholungsurlaub betroffen ist. Haftungsbegründend ist damit nicht der Umwelteinfluss, sondern die unzureichende Information durch den Veranstalter über absehbare Risiken. Die Einstandspflicht des Veranstalters für Umweltbeeinträchtigungen über eine Informationspflichtverletzung zu lösen, wird der Risikoverteilung einer Pauschalreise gerecht, gehört doch eine ausreichende Information zum geschuldeten Leistungsbündel eines Veranstalters und seiner Organisationskompetenz.

Auch wenn man – entgegen einem ähnlich gelagerten Fall des LG Köln (Urt. v. 24.8.2015 – 2 O 56/15, BeckRS 2015, 16663) für die gleiche Reisezeit und das gleiche Zielgebiet – mit dem vorliegenden Urteil der Meinung ist, dass die Erkrankungen der Kläger nicht auf den Ausfall der örtlichen Kläranlage und belastetes Meerwasser zurückzuführen sei und ein Anscheinsweis bei der Zahl der Betroffenen nicht eingreife, kann dem Urteil insoweit nicht gefolgt werden, als eine Informationspflichtverletzung des Veranstalters abgelehnt wird. Den unstreitigen Gründen ist eine konkrete Gefährdung des Reisezwecks der Badereise zu entnehmen, da die Kläger schon vor Reiseantritt über das im August 2014 allgemein bekannte starke Abwasserproblem des Zielgebiets nachfragten und das Problem als erledigt zugesichert wurde, in dem streitgegenständlichen und einer weiteren Hotelanlage gleichwohl eine große Anzahl von Urlaubern an Magen-Darm-Beschwerden im Reisezeitraum litten und Hotelmanager und Reiseleitung trotz Leitwertüberschreitungen von EU-Verordnungen auf das fehlende (bekanntlich seltene!) offizielle Badeverbot hinwiesen und die Probleme damit bagatellisierten. Auch war der Veranstalterbranche durch ihre Reiseleitungen, die Presse und durch Internetforen der Kunden dieser Umweltskandal in der Südtürkei hinreichend bekannt. Trotz allem wurde weder eine deutliche Warnung vor dem Baden im Meer ausgesprochen, noch wurden die Kläger kurzfristig in eine andere Region umgebucht, so dass die geltend gemachte Preisminderung gerechtfertigt gewesen wäre.

Professor Dr. Ernst Führich, Kempten

www.reiserecht-fuehrich.de

IMG_1426
Führich, Reiserecht 7. Aufl. 2015