Voraussichtlich in zwei bis drei Jahren dürfte das neue Pauschalreiserecht in Kraft treten.

Änderungsvorschläge zur Revision der Pauschalreise-Richtlinie haben die Branche aufschrecken lassen. Rechtsexperte Professor Ansgar Staudinger erläutert, warum die Vorschläge so strittig sind.Zuletzt schien alles auf gutem Weg zu sein. Die ungarische EU-Ratspräsidentschaft hatte ein Kompromisspapier für die Novelle der Pauschalreise-Richtlinie vorgelegt. Viele Streitpunkte waren darin verschwunden. Das sieht inzwischen ganz anders aus. Der Berichtsentwurf des EU-Parlaments-Abgeordneten Alex Aguis Saliba (Malta) für den Imco-Ausschuss ist fast wie ein Gegenentwurf zu den Kompromissvorschlägen der EU-Ratsebene zu lesen.

Neuer Dreh der Pauschalreise-Richtlinie der EU

EU-Reiserecht So verändert sich die Pauschalreise-Richtlinie
Das EU-Parlament hat sich mit der Revision zur Pauschalreise-Richtlinie befasst und neue Änderungsvorschläge ins Spiel gebracht – sehr zum Missfallen der Touristik. „Die Vorschläge vom Europäischen Parlament verschlimmbessern das Ergebnis vom Ministerrat“, sagte Professor Ansgar Staudinger von der Universtität Bielefeld in seinem Vortrag „EU-Pauschalreise-Richtlinie: Welche Herausforderungen stecken in den Vorschlägen“ während der DRV-Tagung in Málaga. Auch die Ectaa hatte bereits massive Kritik am neuen Parlamentsentwurf geübt.

Urlaub, Strand

Ectaa kritisert EU-Berichtsentwurf Pauschalreise-Richtlinie führt erneut zu Streit

„Die Vorschläge vom europäischen Parlament verschlimmbessern das Ergebnis vom Ministerrat.“ 

Professor Ansgar Staudinger von der Universtität Bielefeld 


Es sind die alten Streitpunkte, um die es in dem Berichtsreport für den Imco-Ausschuss von Alex Agius Saliba geht: die neue Definition der Pauschalreise und der verbundenen Reiseleistung (inklusive Drei-Stunden-Regel), die kostenfreie Stornierung bei außergewöhnlichen Umständen und die Anzahlungsregelung.

Parlament hält an verbundener Reiseleistung fest

Geht es nach dem europäischen Parlament, soll es die verbundene Reiseleistung künftig weiter geben. Damit hat das Gremium eine komplett andere Haltung als der Ministerrat, der sich darauf verständigt hatte, diese Reiseform zu streichen. „Den Reisebüros lag die verbundene Reiseleistung schwer im Magen, unter anderem, weil damit Informationspflichten und weitergehende Verpflichtungen in der Insolvenzabsicherung verbunden waren“, erklärte Staudinger.
Die Idee des Ministerrats war, sich von der verbundenen Reiseleistung zu verabschieden und nur noch Einzelleistungen oder als Gegenstück Pauschalreisen anzubieten. „Doch das Parlament möchte das Modell der verbundenen Reiseleistung sogar noch ausbauen“, erläutert Staudinger. 

Der Rechtswissenschaftler Ansgar Staudinger übt scharfe Kritik an den Vorschlägen des EU-Parlaments zur Novellierung der Pauschalreise-Richtlinie.

DRV/Kai Weise 

Der Rechtswissenschaftler Ansgar Staudinger übt scharfe Kritik an den Vorschlägen des EU-Parlaments zur Novellierung der Pauschalreise-Richtlinie.

Parlament will 72-Stunden-Regel einführen

Konkret heißt das: Vermittelt ein Händler, zum Beispiel ein Reisebüro, in einem Buchungsprozess neben einer Reiseleistung eine zweite Leistung in einer Zeitspanne von 72 Stunden, wird der Vermittler zum Reiseveranstalter. Das heißt: Das Parlament hat die Drei-Stunden-Regel im ersten Entwurf der Pauschalreise-Richtlinie aus November 2023 auf drei Tage ausgedehnt. „Das ist natürlich grotesk, und damit kann keiner gut leben. Die Reisebüros tragen dann ein wirtschaftliches Risiko, das sie nicht tragen können“, kritisierte Staudinger. 
Den Reisebüros sei nun nicht mehr zu raten, neben einer Leistung eine zweite zu vermitteln, sollte das innerhalb von 72 Stunden sein.

Anzahlung soll 25 Prozent nicht übersteigen 

Das EU-Parlament schlägt außerdem vor, die geleisteten Anzahlungen für die Reisen auf 25 Prozent zu limitieren. „Aus juristischer Sicht gibt es dafür gar keinen Anlass“, bemängelt Staudinger. Auch der Ministerrat hatte sich dagegen ausgesprochen, für alle 27 Mitgliedsstaaten in der EU Obergrenzen für die Anzahlung festzulegen.   


Zumal es mit der AGB-Richtlinie laut Staudinger schon einen ausreichenden Rechtsstandard dafür gibt. Die Anzahlungen selbst fordert das EU-Parlament gegen Insolvenz abzusichern, wohl wissend, dass in Deutschland bereits mit dem Deutschen Reisesicherungsfonds eine Insolvenzabsicherung existiert. Staudinger hofft, dass die Beamten im Zuge des Trilogs „auf den Vorschlag des Ministerrats zurückfallen“. 

Storno bei unvermeidbaren Umständen am Wohnort

Bislang konnten Verbraucher kostenfrei von ihrer Reise zurücktreten, wenn außergewöhnliche unvermeidbare Umstände am Urlaubsort auftreten. Das können zum Beispiel Hitzebrände oder ähnliche unvorhersehbare außergewöhnliche Ereignisse sein.
Nun sieht das Europäische Parlament vor, dass auch außergewöhnliche unvermeidbare Umstände am Wohnort oder auf der Reise, etwa bei einer Zwischenlandung, zu einem kostenfreien Storno berechtigen. „So einen goldenen Rücktritt zu erlauben ist nicht mehr fair gegenüber den Veranstaltern und Anbietern“, betonte Staudinger. 

Es benachteilige die Veranstalter einseitig in ihrem Geschäft, und die Risiken seien unkalkulierbar. Sein Beispiel: Ein Streik des ÖPNV sei zwar ein unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstand, dennoch können Autos weiter problemlos zum Flughafen fahren. 

Beschwerde-Management und hohes Strafmaß

Weitere angedachte Reglementierungen sind Vorgaben für  Beschwerde-Management und außergerichtliche Streitbeilegungen. „Unternehmen haben in der Regel hausintern schon ein Beschwerde-Management aufgesetzt. Das müsste nicht reguliert werden“, sagte Staudinger. „Man kann auf Instrumente vertrauen, die der Markt entwickelt hat.“
Überrascht hat Staudinger außerdem das Strafpensum. Für Veranstalter, die sich nicht richtlinienkonform verhalten, soll es nach Vorstellung des EU-Parlaments drastische Sanktionen geben. „Das können Millionenbeträge sein“, erläutert Staudinger. „Das ist ungewöhnlich.“ Schon jetzt gebe es Verbraucherschutz-Instrumente für ein Fair-Play.

Sein Fazit ist vernichtend: „Das Papier weist mehr Fehler auf, als dass es nützt.“ Dass sich das EU-Parlament eher auf die Seite des Verbraucherschutzes schlägt, überrascht Staudinger nicht. „Es ist dafür berüchtigt, den Verbraucherschutz auszubauen.“

In der Novellierung der Pauschalreise-Richtlinie muss ein Konsens zwischen drei Akteuren gefunden werden: dem EU-Komission, Ministerrat und dem europäischen Parlament. Im Mai wird das EU-Parlament das Papier präsentieren. Dann folgt die Phase des Trilogs.

Voraussichtlich bis Ende des Jahres sollte die neue Pauschalreise-Richtlinie nach Auffassung von Professor Ansgar Staudinger grundsätzlich stehen. Üblicherweise brauche es dann 24 Monate für die Umsetzung, eventuell auch länger. Das heißt: Im Jahr 2027/28 sollte das neue Pauschalreiserecht in Deutschland gültig sein. 

Quelle: FVW