Der Anspruch aus § 651n Abs. 2 BGB ist verschuldensabhängig. Das Verschulden des Reiseveranstalters wird vermutet und es gilt eine Beweislastumkehr zulasten des Reiseveranstalters, der darlegen und im Bestreitensfall beweisen muss, dass der Mangel entweder durch das eigene Verschulden des Reisenden (§ 651n Abs. 1 Nr. 1 BGB) oder das unabwendbare Verschulden eines unbeteiligten Dritten (§ 651n Abs. 1 Nr. 2 BGB) verursacht worden ist oder auf unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umständen beruht (§ 651n Abs. 1 Nr. 3 BGB). (Redaktioneller Leitsatz C.H.Beck)
LG Rostock Urt. v. 18.10.2024 – 1 O 349/24, BeckRS 2024, 30150
Sachverhalt
1Der Kläger verfolgt Ansprüche auf Schadensersatz wegen entgangener Urlaubsfreuden aufgrund von zwei ausgefallenen Kreuzfahrtreisen, die er bei der Beklagten gebucht hatte.
2Zunächst buchte der Kläger im März 2022 die Reise mit der Buchungsnummer für zwei Personen. Die Reise sollte im Zeitraum vom 7.3.2023 bis 21.3.2023 mit Abfahrt und Ankunft auf den Seychellen im Indischen Ozean stattfinden. Der Reisepreis betrug 8.318,- €. Am 14.6.2022 sagte die Beklagte die Reise aufgrund von behördlichen Vorgaben auf den Seychellen ersatzlos ab und zahlte den Reisepreis zurück.
3Die zweite Reise, die der Kläger für sich und seine Ehefrau (im April 2023) buchte (Buchungsnummer …) sollte im Zeitraum vom 27.2.2024 bis 12.3.2024 ebenfalls ausgehend von den Seychellen im Indischen Ozean stattfinden. Der Reisepreis betrug 8.810,- €. Am 24.1.2024 erfolgte eine Absage durch die Beklagte aufgrund der jüngsten Entwicklungen im Roten Meer. Auch hier zahlte die Beklagte den Reisepreis zurück.
4Der Kläger ließ sich ausweislich der schriftlichen Abtretungserklärung vom 18.4.2024 (Anlage K 3) sämtliche Ansprüche gegen die Beklagte in Zusammenhang mit den beiden Reisen abtreten.
5Nachdem die durch den Kläger mit Schreiben vom 27.2.2024 geltend gemachten Ansprüche von der Beklagten mit deren Schreiben vom 12.3.2024 abgelehnt wurden, beauftragte der Kläger seinen jetzigen Bevollmächtigten zunächst mit der außergerichtlichen Interessenvertretung und am 3.4.2024 mit dem Klageauftrag.
6Der Kläger ist der Auffassung, dass ihm hinsichtlich beider abgesagter Reisen Ansprüche auf Schadensersatz wegen entgangene Urlaubsfreuden zustehen. Hinsichtlich der für 2023 vorgesehenen Reise sei mangels Exkulpation von einem Verschulden der Beklagten auszugehen. Der Kläger meint, dass der Schadensersatz in der Höhe auf 50 % des Reisepreises zu bemessen sei. Gleiches gelte hinsichtlich der für das Jahr 2024 vorgesehenen Reise. Soweit die Beklagte sich insoweit zu exkulpieren versuche, weil die Sicherheitslage im Roten Meer angesichts der regelmäßigen Angriffe der Houthi-Rebellen auf die Schifffahrt eine Durchführung der Reise nicht zugelassen habe, handele es sich hierbei nicht um ein außergewöhnliches Ereignis im Sinne der reiserechtlichen Schadensersatzvorschriften, denn es liege keine unmittelbare Auswirkung auf die streitgegenständliche Reise vor. Vielmehr habe die Beklagte lediglich die bewusste Entscheidung getroffen, die für die streitgegenständliche Reise vorgesehene …Blu so zeitig über den erforderlichen Umweg um das Kap der Guten Hoffnung nach Europa zu schicken, dass das Schiff zu Beginn der Kreuzfahrtsaison im östlichen Mittelmeer wieder zur Verfügung stehe.
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 8.564,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 12.3.2024 zu zahlen und die Beklagte zu verurteilen, an die Klagepartei vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 521,82 € zu bezahlen.
die Klage abzuweisen.
9Sie ist der Auffassung, dem Kläger stehe hinsichtlich der für 2023 vorgesehenen Reise jedenfalls der Höhe nach kein Schadensersatzanspruch zu. Die Absage der Reise sei bereits neun Monate vor dem geplanten Reisebeginn erfolgt. Damit liege keine über ein bloßes Ärgernis hinausgehende Beeinträchtigung der Erholungswirkung der Reise vor. Schadensersatz wegen entgangener Urlaubsfreude scheide daher aus.
10Mit Blick auf die für 2024 vorgesehene Reise bestreitet die Beklagte das Bestehen von Schadensersatzansprüchen auch dem Grunde nach. Sie behauptet, die Reise sei aufgrund der sicherheitsrelevanten Ereignisse im Roten Meer und am Suezkanal abgesagt worden. Die Reise wäre im Normalfall planmäßig am 12.3.2024 beendet gewesen, wobei die …Blu ab demselben Tag eine Transitreise bis nach Korfu habe durchführen sollen. Am 28.3.2024 habe das Schiff in Valletta auf Malta einlaufen sollen, um dort eine Osterreise bis zum 6.4.2024 zu beginnen. Hätte die Beklagte die streitgegenständliche Reise durchgeführt, wäre es nicht möglich gewesen, das Schiff rechtzeitig bis zum 28.3.2024 nach Valletta zu bringen, da auch auf der Transitreise die Krisenregion am Roten Meer nicht habe passiert werden können und deshalb ein Umweg über das Kap der Guten Hoffnung nach Europa hätte genommen werden müssen. Zum einzelnen Vortrag dazu, warum es nicht schneller möglich gewesen sei, das Schiff nach Malta zu bringen, wird im einzelnen auf die Ausführungen im Schriftsatz der Beklagten vom 9.9.2024 (Bl. 40 ff. der Akte) Bezug genommen.
11Ergänzend wird auf das schriftsätzliche Vorbringen beider Parteien Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
12Die zulässige Klage ist teilweise begründet. Dem Kläger steht aus § 651n Abs. 2 BGB eine Entschädigung in Höhe von insgesamt 5.236,80 € zu.
131. Der Kläger ist auch insoweit aktivlegitimiert, als er eine Entschädigung gem. § 651n Abs. 2 BGB für die entgangene Urlaubsfreude seiner Ehefrau begehrt. Es ist eine schriftliche Abtretungserklärung vorgelegt worden.
142. Der Kläger kann wegen beider ausgefallener Reisen und der in diesem Zusammenhang nutzlos aufgewendeten Urlaubszeit eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen (§ 651n Abs. 2 BGB).
15Wird die Pauschalreise vereitelt, kann der Reisende auch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen (§ 651n Abs. 2 BGB). Urlaubszeit ist nutzlos aufgewendet, wenn der Reisende die für den Urlaub vorgesehene Zeit wegen der Vereitelung der Reise nicht wie nach nach dem Vertrag vorgesehen hat nutzen können. Unerheblich ist, ob und wie der Reisende die Zeit anderweitig hat nutzen können bzw. genutzt hat (BGH, Urteil vom 11.1.2005 – X ZR 118/03, NJW 2005, 1047, beck-online). Der Anspruch entfällt weder, weil der Reisende seine Arbeit wieder aufnimmt, noch weil er eine Ersatzreise antritt bzw. einen Ersatzurlaub verbringt (MüKoBGB/Tonner, 8. Aufl. 2020 Rn. 61, BGB § 651n Rn. 61).
16Der Anspruch aus § 651n Abs. 2 BGB ist verschuldensabhängig. Dies folgt daraus, dass die Vorschrift eine Erweiterung des Anspruchsumfangs gem. § 651n Abs. 1 BGB beinhaltet (BeckOGK/Klingberg, 1.5.2020 Rn. 43, BGB § 651n Rn. 43). Das Verschulden des Reiseveranstalters wird nach der eindeutigen Formulierung des § 651n Abs. 1 („es sei denn“) vermutet; es gilt eine Beweislastumkehr zulasten des Reiseveranstalters. Der Reiseveranstalter kann seine Entlastung nur auf die in § 651n Abs. 1 Hs. 2 BGB bezeichneten Gründe stützen. Der Reiseveranstalter muss darlegen und im Bestreitensfalle beweisen, dass der Mangel entweder durch das eigene Verschulden des Reisenden (§ 651n Abs. 1 Hs. 2 Nr. 1 BGB) oder das unabwendbare Verschulden eines unbeteiligten Dritten (§ 651n Abs. 1 Hs. 2 Nr. 2 BGB) verursacht worden ist oder auf unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umständen beruht (§ 651n Abs. 1 Hs. 2 Nr. 3 BGB). Bei der Vereitelung einer Reise muss der Reiseveranstalter darlegen, dass die Ursache hierfür nicht aus seiner Sphäre herrührt bzw. dass er die Ursache bei gehöriger Anstrengung hätte vermeiden können.
17Zur Bemessung einer angemessenen Entschädigung gelten folgende Grundsätze:
18Sinn und Zweck der Entschädigungsregelung ist es, dem Reisenden einen Ausgleich für die entgangene Urlaubsfreude zu verschaffen. Die Bemessung der Entschädigung ist grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters, der alle zur Bemessung geeigneten Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu beachten hat (vgl. BGH, Urt. v. 11.1.2005, X ZR 118/03, Rn. 26 u. 31 – juris). Der Gesetzgeber hat bewusst davon abgesehen, durch § 651f Abs. 2 BGB a. F. bzw. § 651n Abs. 2 BGB einen bestimmten Bemessungsmaßstab vorzugeben (vgl. die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses BT-Drucks. 8/2343, S. 11; so inhaltlich auch schon der Regierungsentwurf BT-Drucks. 8/786, S. 30). Das Gesetz geht davon aus, dass für die Bemessung der Entschädigung sämtliche Umstände des Einzelfalls zu würdigen sind. Wird die Reise durchgeführt und ist sie erheblich mangelhaft, kommt es auf das Ausmaß der Beeinträchtigung der Reise an; die Schwere des dem Reiseveranstalter zur Last fallenden Verschuldens ist besonders zu berücksichtigen.
19Die Rechtsprechung geht bei der Bemessung der Entschädigung in erster Linie vom vereinbarten Reisepreis aus. Die Eignung des Reisepreises als Bemessungsmaßstab entspricht der Vorstellung des Gesetzgebers (vgl. BT-Drucks. 8/2343, S. 11) und wird höchstrichterlich gebilligt (vgl. BGH, Urt. v. 11.1.2005, X ZR 118/03, Rn. 29 – juris). Die Ansicht, für jeden gänzlich vertanen Urlaubstag den gezahlten Reisepreis in voller Höhe als Richtschnur anzulegen, ist jedenfalls dann verfehlt, wenn die Reise insgesamt ausfällt. Vertretbar ist allerdings auch in solchen Fällen, den Reisepreis für die Bemessung der Höhe der Entschädigung heranzuziehen. Der Fall des vollständigen Ausfalls einer Reise ist aber regelmäßig nicht einem Fall gleichzustellen, in dem die Reise wegen Mängel der Leistung des Veranstalters so erheblich beeinträchtigt worden ist, dass der Erfolg der Reise (nahezu) vollständig verfehlt worden ist und deshalb eine Entschädigung in Höhe des vollen Reisepreises angemessen sein kann.
20Der Grad des Verschuldens des Reiseveranstalters ist insoweit relevant, als es den Grund für den Ausfall der Reise mitbedingt hat. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Anspruch gem. § 651n Abs. 2 BGB ein Verschulden voraussetzt, weshalb nur eine über das übliche hinausgehende Sorgfaltspflichtverletzung relevant sein kann. Etwaige Verletzungen der Hinweis- und Informationspflichten im Zusammenhang mit dem Ausfall der Reise können nur dann eine höhere Entschädigung rechtfertigen, wenn sie Unannehmlichkeiten bedingt haben, die der Risikosphäre des Reiseveranstalters zuzurechnen sind.
21Die Rechtsprechung des BGH hat eine Entschädigung in Höhe von 50 % des Reisepreises ebenso unbeanstandet gelassen (BGH Urt. v. 11.1.2005 – X ZR 118/03, NJW 2005, 1007 für eine ausgefallene zweiwöchige Reise auf den Malediven) wie eine Entschädigung in Höhe von 73 % des Reisepreises (BGH, Urt. v. 29.5.2018, X ZR 94/17, NJW 2018, 3173 für eine ausgefallene zweiwöchige Karibikreise; OLG Köln Urt. v. 19.7.2017 – 16 U 31/17, BeckRS 2017, 125642 Rn. 21, beck-online). Bei der Bemessung ist zu beachten, dass dem Schadensersatzrecht eine Pönalisierung fremd ist und eine Überkompensation nicht erfolgen darf.
22Relevanz kann der Umstand haben, welche Bedeutung die ausgefallene Reise für den Reisenden hat und ob sie für ihn nachholbar ist. Auch der Umfang der Mühe, die Reise zu planen und vorzubereiten, ist zu berücksichtigen. Ebenso kann für die Bemessung der Entschädigung eine Rolle spielen, welchen Aufwand der Reisende betreiben muss, um einen Ersatzurlaub zu planen und zu buchen.
23Die Kammer erachtet es jedenfalls bei hochpreisigen Reisen nur in besonderen Fällen eines gänzlichen Reiseausfalls, die durch ein besonderes Verschulden des Reiseveranstalters geprägt sind und gravierende Nachteile für den Reisenden haben, für gerechtfertigt, eine Entschädigung von mehr als 50 % des Reisepreises zuzusprechen. Anderenfalls würde man das Gesamtsystem des immateriellen Schadensersatzrechts aufbrechen und einer Pönalisierung und Überkompensation den Weg bereiten. Dass bei einem dem Reiseveranstalter vorwerfbaren Ausfall einer Reise eine Mindestentschädigung zuzusprechen ist, findet im Gesetz keine Stütze.
24Wird die Reise sehr frühzeitig abgesagt, muss Berücksichtigung finden, dass sich die Vorfreude auf die geplante Reise noch nicht hat verfestigen können. Je früher die Reise abgesagt wird, desto geringer kann gewöhnlicherweise die Entschädigung ausfallen.
25a) Reise mit der Buchungsnummer … im Zeitraum vom 7.3.2023 bis 21.3.2023 Die Reise ist unstreitig vereitelt worden, weil die Beklagte die Reise abgesagt hat. Einen entschuldigenden Grund bringt sie nicht vor.
26Dem Kläger steht ein Entschädigungsanspruch in Höhe von 10 % des Reisepreises zu, also 831,80 €. Eine höhere Entschädigung ist nicht angemessen.
27Anhaltspunkte für ein besonders schwerwiegendes Verschulden sind nicht gegeben, so dass eine über 50 % hinausgehende Entschädigung ohnehin nicht in Betracht kommt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Reise aus Sicht der Reisenden eine besondere, über das normale Maß hinausgehende Bedeutung gehabt hat oder dass sie für den Kläger und seine Ehefrau einen besonderen „Einmaligkeitscharakter“ gehabt hat. Das Gegenteil ergibt sich aus dem Umstand, dass die Kläger eine fast identische Reise für einen später liegenden Zeitraum in Form der hier streitgegenständlichen Reise gebucht haben.
28Entscheidend dafür, dass nur eine deutlich niedrigere Quote in Frage kommt ist, dass die Beklagte die Reise schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt, nämlich drei Monate nach der Buchung und neun Monate vor dem geplanten Abreisedatum, abgesagt hat. Wie schon ausgeführt, hat sich in solchen Fällen die Vorfreude auf die Reise, die einen wesentlichen Gegenstand des Anspruchs aus § 651n Abs. 2 BGB ausmacht, noch nicht verfestigt. Die Kammer geht davon aus, dass bei einer Absage, die sechs Monate oder mehr vor dem geplanten Reisebeginn erfolgt, in der Regel keine Entschädigung von mehr als 10 % zugebilligt werden kann. Aus dem klägerischen Vortrag einschließlich der Ziff. 3. des Schriftsatzes vom 11.6.2024 ergeben sich keine besonderen Umstände, die im vorliegenden Fall ein anderes Ergebnis rechtfertigen.
29b) Reise mit der Buchungsnummer … im Zeitraum vom 27.2.2024 bis 12.3.2024 Die Reise ist ebenfalls vereitelt worden, weil die Beklagte die Reise abgesagt hat. Eine Exkulpation gem. § 651n Abs. 1 BGB ist der Beklagten nicht gelungen.
30Die vorgetragenen Umstände In Zusammenhang mit der Sicherheitslage im Roten Meer und im Suezkanal dürften zwar als von der Beklagten nicht beeinflussbare Ereignisse aufgrund ihrer Begründung einer evidenten Gefährdungslage grundsätzlich geeignet gewesen sein, außergewöhnliche Umstände im Sinne von § 651n Abs. 1 Nr. 3 BGB darzustellen, obwohl sie in geographischer Hinsicht nicht unmittelbar im Gebiet der streitgegenständlichen Reise gewesen sind. Denn eine entsprechende Einschränkung, sowie in § 651h Abs. 3 S. 1 BGB hinsichtlich der Nähe zum Bestimmungsort enthält die hier maßgebliche Vorschrift gerade nicht. Das gleiche gilt für die der Vorschrift des § 651n Abs. 1 Nr. 3 BGB zu Grunde liegende Formulierung in Art. 14 Abs. 3 Ziff. c) PauschalRRL. Ob ortsfremde außergewöhnliche Ereignisse entgegen der genannten Wortlaute dennoch als außergewöhnliche Ereignisse im Sinne des § 651n BGB ausscheiden, bedarf jedoch hier keiner abschließenden Entscheidung.
31Entscheidend ist nämlich, dass die Sicherheitslage im Roten Meer und im Suezkanal im vorliegenden Fall nicht unmittelbar zu der Erforderlichkeit des streitgegenständlichen Reiseausfalls geführt haben. Dieser beruhte vielmehr unmittelbar auf einer unternehmerischen Entscheidung der Beklagten, die sich dafür entschieden hat, anstelle einer Durchführung der streitgegenständlichen Reise die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die über Ostern geplante weitere Reise im östlichen Mittelmeer stattfinden kann. Die hierfür entscheidenden Gründe haben ersichtlich nicht unmittelbar mit der Sicherheitslage zu tun gehabt, vielmehr hat es sich offenbar um betriebswirtschaftliche Überlegungen gehandelt. Für die Annahme eines außergewöhnlichen Ereignisses bedarf es aber eines unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstandes, der nicht der Kontrolle der sich auf sie berufenden Partei unterliegt (Staudinger in: Führich/Staudinger, Reiserechtshandbuch, 9. Aufl., § 16 Rz. 19). Das hierin enthaltene Element von höherer Gewalt ist nicht verwirklicht, wenn die Entscheidung, die Reise abzusagen, bei gleichwohl gegebener äquivalenter Kausalität letztlich nicht in erster Linie auf dem zwingenden Grund beruht und wenn die Willensentscheidung des Reiseunternehmens, die Reise abzusagen, auch ebensogut anders hätte ausfallen können.
32Hieran ändert der von der Beklagten herangezogene Vergleichsfall nichts, mit dem sie darlegt, dass sie sich im Sinne eines Dilemmas bei der streitgegenständlichen Reise in der gleichen Entscheidungssituation befunden habe, wie bei der Frage, ob die sich anschließende Osterreise im östlichen Mittelmeer stattfinden solle oder nicht. Wäre die streitgegenständliche Reise durchgeführt worden, hätte für die Durchführung der Osterreise eine vergleichbare Entscheidung der Beklagten möglicherweise nicht angestanden, wenn das Schiff dann aufgrund der vorherigen Reise im indischen Ozean objektiv nicht zur Verfügung gestanden hätte. Ob dies zu einer Exkulpation geführt hätte, ist hier nicht zu entscheiden, es hätte sich dann aber jedenfalls nicht – wie hier – um eine betriebswirtschaftliche Entscheidung gehandelt.
33Die Bezugnahme der Beklagten auf den Erwägungsgrund 15 der Fluggastrechte-VO führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Auch dann, wenn man die Grundsätze der Fluggastrechte-VO grundsätzlich für die Auslegung der Rechtsbegriffe in § 651n BGB heranziehen möchte, ergibt sich aus dem genannten Erwägungsgrund nicht, dass unternehmerische, letztlich betriebswirtschaftlich begründete Entscheidungen ein außergewöhnliches Ereignis begründen können. Soweit dort von „Entscheidungen des Flugverkehrsmanagements“ die Rede ist, ist damit nicht eine mit dem vorliegenden Fall vergleichbare unternehmerische Entscheidung gemeint, sondern es geht um Entscheidungen in Zusammenhang mit der Planung und Aufteilung des Luftraums, der Verkehrsflussregelung oder der Luftverkehrskontrolldienste, nicht aber um Entscheidungen der Fachabteilungen in Luftfahrtunternehmen, die den Einsatz der im Betrieb eingesetzten Flugzeuge planen und überwachen (Hoppedietzel in: BeckOK Fluggastrechte-VO, 32. Edition, Rz. 129).
34Der Höhe nach steht den Klägern nach den oben genannten Grundsätzen ein Anspruch auf Schadensersatz wegen entgangener Urlaubsfreuden in Höhe von 50 % des Reisepreises zu, mithin 4.405,- €. Vorliegend sind weder besonders gravierende Nachteile für die Kläger erkennbar, noch ist der Beklagten ein besonders schweres Verschulden in Zusammenhang mit der Absage vorzuwerfen. Der Umstand dass die zweite Absage einer bei der Beklagten gebuchten Reise für den Kläger und seine Ehefrau sicherlich ein besonderes Ärgernis dargestellt hat, reicht für sich betrachtet nicht aus, den Entschädigungssatz bei mehr als 50 % anzusetzen.
353. Der Anspruch auf die zugesprochenen Zinsen folgt aus Verzug in Folge der endgültigen vorgerichtlichen Ablehnung des Anspruchs. Der Kläger hat Anspruch auf die Erstattung vorgerichtlich aufgewendeter Rechtsanwaltskosten zu einer Gebührenhöhe, die durch den hier zugesprochenen Hauptsachebetrag gerechtfertigt ist.
Quelle: Beck-online

